Grenzüberschreitende Steuerhinterziehung soll künftig deutlich erschwert werden. Dazu hat der Bundestag am Freitag, 3. Juli 2009, ein Gesetz mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/DieGrünen beschlossen. Die FDP stimmte dagegen, Die Linke enthielt sich. Die Regelungen beziehen sich vor allem auf so genannte Steueroasen, also Länder, die die Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht anerkennen.
"Es ist wichtig, dass die Menschen den Eindruck haben: Steuerbetrug
wird nicht als Kavaliersdelikt behandelt“, stellte
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in der rund
75-minütigen Debatte klar. "Steuerhinterziehung ist
kriminell.“ Schätzungen zufolge gehen den
öffentlichen Kassen in Deutschland rund 100 Milliarden
jährlich durch Steuerhinterziehung verloren.
Nach dem Gesetzentwurf ( 16/12852, 16/13106, 16/13666) werden die deutschen Finanzbehörden mit zusätzlichen Vollmachten ausgestattet. Bürger, die Geschäftsbeziehungen im Ausland unterhalten, werden verpflichtet, mit den deutschen Finanzbehörden zu kooperieren und ihnen umfassend Auskunft zu erteilen. Geschieht das nicht, werden Sanktionen fällig.
Wer nicht kooperiert, muss Nachteile bei der steuerlichen
Absetzbarkeit von Werbungs- und Betriebskosten, bei Entlastungen
von Kapitalertrags- und Abzugssteuer oder bei der steuerlichen
Absetzbarkeit von Dividenden hinnehmen. Ab einem Jahreseinkommen
von 500.000 Euro können die Behörden ohne besondere
Begründung Steuerprüfungen vornehmen. Die
Aufbewahrungspflicht von Unterlagen über Einkünfte wird
auf sechs Jahre verlängert.
Allerdings sollen die Maßnahmen erst durch Rechtsverordnungen
in Kraft treten, denen der Bundesrat zustimmen muss. Diese
Änderungen hatte die CDU/CSU-Fraktion durchgesetzt, um nicht
alle Länder unter Generalverdacht zu stellen. Jetzt muss die
Länderkammer für jedes Land, das als Steueroase gilt,
eine eigene Verordnung auf den Weg bringen. Die SPD hatte auf ein
allgemein gültiges Gesetz gedrungen.
Als wirkungslos und unverhältnismäßig kritisierte die FDP-Fraktion das Gesetzesvorhaben. Das Gesetz sei überhaupt nicht erforderlich, denn bisher hätten fast alle Staaten zugesagt, sich den OECD-Standards anzuschließen, sagte deren finanzpolitischer Sprecher, Volker Wissing. Derzeit steht kein einziger Staat auf der "schwarzen Liste“ der OECD.
Trotzdem würden die Steuerzahler mit zusätzlichen
Informationspflichten belastet. Nach der Lesart des Gesetzes sei
jeder ein Steuerhinterzieher, bis er nicht das Gegenteil bewiesen
habe. Deshalb sei das Gesetz ein Scheingesetz und nicht vereinbar
mit den bürgerlichen Freiheiten, sagte Wissing und
begründete damit die Ablehnung der FDP-Fraktion.
Steinbrück wehrte sich gegen die „populistische“ Kritik der FDP und verwies darauf, dass das Gesetz Maßnahmen enthalte, die es bereits in vielen Nachbarstaaten gebe. Allein die Ankündigung, Steuerhinterziehung konsequenter zu ahnden, habe eine Dynamik entfacht, denn inzwischen hätten schon 84 Länder den OECD-Kodex unterzeichnet.
"Wer Steuern hinterzieht, schadet dem Gemeinwesen und verhöhnt
den Rechtsstaat“, sagte der Minister. Der SPD-Finanzexperte
Lothar Binding nannte das Gesetz trotz der von der Union
durchgesetzten Änderungen am Regierungsentwurf einen "guten
Kompromiss“. Erstmals werde es möglich,
grenzüberschreitenden Steuerbetrug systematisch zu
bekämpfen. "Steuerhinterziehung ist eine Form von
Diebstahl“, sagte Binding.
Auch Bündnis 90/Die Grünen lobten das Gesetz als „prinzipiell richtig“. Allerdings mahnte die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel eine konsequente Umsetzung an. Deswegen müssten Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften mit mehr Personal ausgestattet werden.
Auch sei die Unterzeichnung der OECD-Standards nicht der Endpunkt,
sagte Scheel. Vielmehr werde ein automatischer
Informationsaustausch zwischen allen Ländern benötigt.
Kritik übte Scheel auch an dem Verfahren über
Rechtsverordnungen des Bundesrates. Da fehle Transparenz, sagte
sie.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Dr. Barbara
Höll, billigte dem Gesetzesvorhaben zu, dass es „in die
richtige Richtung“ geht. Es komme allerdings zu spät,
sei abgeschwächt worden und enthalte keine klare zeitliche
Eingrenzung.
Die Linksfraktion sprach sich für eine automatische
Meldepflicht von Kapitalanlagen im Ausland ab 100.000 Euro
jährlich aus. Sie verwies darauf, dass die Prüfungsdichte
bei Personen mit einem Jahresabkommen ab 500.000 Euro derzeit
fünf Prozent betrage. Deshalb sei eine Personalaufstockung in
den Finanzämtern unbedingt erforderlich.