Eine Debatte zur Achtung der Grundrechte hat am Freitag,3. Juli 2009, eine heftig geführte Kontroverse im Bundestag ausgelöst. Beherrschendes Thema war dabei das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Vor allem gingen die Meinungen in der Frage auseinander, ob und wieweit der Gesetzgeber im Kampf gegen terroristische Bedrohungen Grundrechte einschränken dürfe.
Grundlage der Debatte bildeten eine Große Anfrage der
FDP-Fraktion (
16/7271) und die entsprechende Antwort der
Bundesregierung (
16/10469). In ihrer Anfrage hatten die
Liberalen von der Bundesregierung Auskunft über das Maß
an Achtung und Akzeptanz verlangt, das Staat und Gesellschaft
den Grundrechten entgegenbringen. Die FDP-Fraktion zeigte
sich darin besorgt: „Viele Entwicklungen lassen
befürchten, dass die Grundrechte an Substanz
verlieren“.
Von den grundgesetzlichen Möglichkeiten zur Einschränkung der Grundrechte werde leider viel zu oft gebraucht gemacht, ohne dass das notwendige Augenmaß gewahrt bleibe. „Der Staat lässt es an der Achtung der Grundrechte und der notwendigen Sensibilität fehlen“, resümierten die Liberalen.
Diese Einschätzung teilte die Bundesregierung indes nicht.
Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hätten einschneidende
gesellschaftliche Entwicklungen stattgefunden, auf die neue
gesetzgeberische Antworten gefunden werden müssten.
Die neue Qualität der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus der vergangenen Jahre wecke ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis. Die Bundesregierung sei sich gleichwohl ihrer Verantwortung bewusst, die Balance zwischen innerer Sicherheit und Freiheit zu wahren, wenn sie gesetzgeberische Maßnahmen zur Reaktion auf diese neue Gefahrenlage vorschlage. Doch sei persönliche Freiheit nicht ohne innere Sicherheit denkbar.
Der FDP-Politiker Dr. Max Stadler mahnte in seiner Rede eine
„grundrechtsorientierte Gesetzgebung“ an. Die
Gesetzgebung der letzten Jahre habe gezeigt, dass man immer
öfter an die Grenzen der Verfassung gehe: „Dabei
läuft man aber auch Gefahr, diese Grenzen zu
überschreiten.“
Stadler erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung in einer „Fülle grundlegender Entscheidungen“ korrigierte habe. Dies sollte Anlass geben zu überprüfen, ob es richtig sein könne, immer den äußersten Spielraum ausnutzen zu wollen.
Der Gesetzgeber, entgegnete Dr. Siegfried Kauder in seiner Rede,
müsse immer wieder an die Grenzen dessen gehen, was das
Grundgesetz hergebe. Doch müssten die Eingriffe maßvoll
gestaltet sein. Der CDU-Politiker sagte: „Es geht nicht um
die Frage: Freiheit oder innere Sicherheit, sondern um Freiheit in
Sicherheit.“
Der Staat habe eine Schutzpflicht gegen seine Bürger. Es gebe nicht nur das Freiheitsrecht eines Täters, sondern auch die Menschenwürde eines möglichen Opfers, sagte Kauder. „Wer Sicherheit will, muss Eingriffe in Freiheitsrechte zulassen."
Petra Pau (Die Linke) sah in der Großen Anfrage der
FDP-Fraktion ein hoch aktuelles Thema: „Die Fragen zeigen,
wie gefährdet die Bürgerrechte sind und die Antworten,
wie selbstgefällig die Bundesregierung damit umgeht“. Es
sei ein Spiel mit dem Feuer, sie einerseits zu lieben und
andererseits verkommen zu lassen. „Dies aber ist politischer
Alltag“, sagte Pau. Seit Jahren werde das Grundgesetz in
Geist und Buchstaben umgedeutet.
Zu Empörung und heftigen Widerworten aus den übrigen Fraktionen führte die Äußerung Paus, es sei seit Jahren ein Umbau der Gesellschaft zu beobachten, der weg vom Rechtsstaat und hin zum Überwachungsstaat führe.
Als „Unverschämtheit diesem hohen Hause
gegenüber“ bezeichnete Dr. Carl-Christian Dressel die
Äußerungen Paus in seiner Rede. Der SPD-Politiker
betonte, dass die Grundrechte in den letzten sechzig Jahren eine
deutliche Aufwertung im öffentlichen Bewusstsein erfahren
hätten. Sie seien der zentrale Grundstein der
Menschenwürde: „Unser Staat ist ein
Grundrechtsstaat“, so Dressel. Dieser sei verpflichtet
für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Jedoch nicht
dadurch, dass er als Nachwächterstaat Abwehrrechte anerkenne,
sondern indem er Sicherheit für jeden gewähre.
Jerzy Montag (Bündnis90/Die Grünen) bekannte in seiner Rede, von den Antworten der Bundesregierung ernüchtert und enttäuscht zu sein. „Viele Fragen werden schlicht oder mit nichtssagenden Floskeln beantwortet.“
Es wirke wie eine Verweigerung der Debatte, wenn die
Bundesregierung sich eigener Bewertungen und Präzisierungen
enthalte und stattdessen über Seiten hinweg das
Bundesverfassungsgericht für sie sprechen lasse, kritisierte
Montag.