"Die Bundestagswahl 2009 wird nicht verfassungsgemäß sein, wenn nach dem jetzigen Bundeswahlgesetz gewählt wird", sagte Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) am Freitag, 3. Juli 2009, im Deutschen Bundestag. Seine Fraktion hatte eine Gesetzesänderung bereits zur Bundestagswahl am 27. September gefordert und damit die zügige Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts verlangt. In dem Grundsatzurteil stellten die Verfassungshüter fest, dass das Bundeswahlgesetz punktuell gegen das Grundgesetz verstößt. In namentlicher Abstimmung lehnte das Parlament den Grünen-Entwurf mit 391 Nein-Stimmen und 97 Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen ab.
Mit seinem Urteil (Aktenzeichen: 2 BvC
16/11885,
16/13658) sollte die Verfassungswidrigkeit
dadurch beseitigen, dass die Direktmandate bereits auf Bundesebene
auf das Zweitstimmenergebnis angerechnet werden und nicht wie
bislang auf Länderebene.
Der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Günter Krings, sprach in der Debatte von Legenden, die sich um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebildet hätten. Bündnis 90/Die Grünen hätten das Urteil nicht richtig verstanden, deshalb sei ihr Vorschlag eine „Mogelpackung“.
Die Umsetzung erst nach der Bundestagswahl 2009 sei nicht
verfassungswidrig, sondern verfassungskonform, weil das
Bundesverfassungsgericht eine Frist bis 2011 eingeräumt
hätte. Einer überhasteten Gesetzesänderung
würde die CDU nicht zustimmen.
Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, sprach sich in der Debatte ebenfalls gegen eine Änderung des Wahlgesetzes zum jetzigen Zeitpunkt aus.
Unstrittig sei, dass die Gesetzesänderung kommen müsse.
Eine Änderung im laufenden Verfahren sei aber nicht redlich,
weil die Kandidaten feststehen und auch die Listen bereits fertig
seien.
Klaus Uwe Benneter (SPD) beklagte, dass die Union trotz mehrfacher Angebote der SPD die Gespräche zur Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils immer wieder verzögert habe. Die CDU-Argumentation, es wäre noch interner Abstimmungsbedarf nötig, sei eine Ausrede gewesen. Der Änderungsvorschlag von Bündnis 90/Die Grünen wäre unbürokratisch umzusetzen gewesen, so Benneter. Die CDU wolle das aber nicht, weil ihr die Überhangmandate nutzten.
Unterstützung bekamen die
Grünen von der Linksfraktion. Dr. Dagmar Enkelmann nannte
Benneter scheinheilig, weil er eine Rede für die
Gesetzesänderung gehalten habe und am Ende dagegen stimme.
Werde nach dem geltenden Recht gewählt, würde dies den
Wählerwillen verfälschen, weshalb Die Linke den
Gesetzentwurf befürworte.
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in der Debatte, es sei respektlos gegenüber den Wählern, wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht schon bei der Wahl zum kommenden Deutschen Bundestag ungesetzt werde. Die FDP verweigere sich mit dem Argument, es sei ein hochkomplizierter Vorgang, der nicht so schnell umsetzbar sei, einer zügigen Gesetzesänderung.
Diese Argumentation stelle Macht vor Verfassung, so Wieland, denn
die FDP stimme nur deshalb nicht zu, weil sie nach der
Bundestagswahl mit der CDU regieren wolle. Die Weigerung der SPD,
dem Gesetzentwurf zuzustimmen, nannte der Abgeordnete "nicht
nachvollziehbar".
Die SPD habe noch in den vergangenen Wochen für eine
Gesetzesänderung plädiert und stimme jetzt lediglich aus
Koalitionsräson dagegen, so Wieland. Die CDU verhindere mit
ihrer Weigerung, dass die Bundestagswahl nach
verfassungsgemäßem Recht stattfindet.
Mit seinem Urteil hatte das
Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, bis Mitte
2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen, weil
ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Mandaten
führen kann, die über Landeslisten besetzt werden, und
ein Verlust an Zweitstimmen zu mehr Mandaten führen kann, die
über Landeslisten besetzt werden ("Phänomen des negativen
Stimmgewichts").