Gegensätzlich bewerten die Koalitionsfraktionen einerseits sowie FDP, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen andererseits die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses, der unter Vorsitz des SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Hans-Ulrich Krüger zur Aufklärung der Vorgänge um die mittlerweile mit 90 Milliarden Euro öffentlichen Garantien gestützte und zu 90 Prozent verstaatlichte Hypo Real Estate (HRE) eingesetzt wurde. In dem am Freitag, 18. September 2009, von der Ausschussmehrheit aus Union und SPD verabschiedeten Sachstandsbericht ( 16/14000) heißt es, während der HRE-Krise vom Herbst 2008 hätten Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) „verantwortungsvoll und weitsichtig gehandelt“. Beim Versuch, "der Regierung Verfehlungen anzulasten, sei die Opposition auf ganzer Linie gescheitert".
Die drei kleinen Fraktionen kritisieren indes in einem gemeinsamen Sondervotum, dass die Bankaufsicht im Fall HRE kein präventives Krisenmanagement betrieben habe. Der Ausschuss sei ein „Erfolg“ gewesen, man habe „viele Missstände ans Tageslicht gebracht“, so die Obleute Dr. Volker Wissing (FDP), Dr. Axel Troost (Linkspartei) und Dr. Gerhard Schick (Grüne) in einer gemeinsamen Erklärung.
Im Bericht der Mehrheit wird der Ausschuss als „reines Wahlkampfmanöver“ der Opposition bezeichnet. Das Debakel der HRE im Herbst 2008 sei letztlich allein durch den Zusammenbruch der Finanzmärkte nach der Pleite von Lehman Brothers verursacht worden, weil sich die irische HRE-Tochter Depfa nicht mehr habe refinanzieren können. Trotz vorhandener Probleme habe die HRE-Gruppe bis dahin „alle gesetzlichen Kennziffern des Bankenaufsichtsrechts erfüllt“.
Im Bericht heißt es, die HRE („kein mustergültiger Finanzkonzern“) habe vor der Krise an einer „Bronchitis“ gelitten, um die sich die Bankaufsicht gekümmert habe. Die Folgen der Lehman-Insolvenz hätten bei der HRE hingegen einen „akuten Herzinfarkt“ bewirkt, der ein sofortiges Eingreifen mit „lebenserhaltenden Maßnahmen“ erforderlich gemacht habe.
Durch die Rettung der HRE wurde für Union und SPD eine „Kernschmelze“ des Weltfinanzsystems verhindert. Die Regierung habe das Rettungspaket „professionell und zum Vorteil der Steuerzahler verhandelt“. „Weltweit einmalig“ sei der Finanzsektor durch die Übernahme von unbesicherten Risiken in Höhe von 8,5 Milliarden Euro zur Stützung der HRE herangezogen worden.
SPD-Obfrau Nina Hauer sagte, die Opposition habe viele ihrer ursprünglich erhobenen Vorwürfe „abgeräumt“ und „Verschwörungstheorien aufgegeben“. Als Konsequenz aus der Finanzkrise müsse die europäische Bankenaufsicht gestärkt werden. Auch sei zu überlegen, wie man dem „Risikoverhalten von Managern“ entgegenwirken könne. Bei der Frage, ob die Bankaufsicht auch die Geschäftsmodelle von Banken prüfen sollen, müssten Vor- und Nachteile genau untersucht werden.
CDU/CSU-Obmann Leo Dautzenberg erklärte, zur „finalen Rettung der HRE hat es keine Alternative gegeben“. Kritische Fragen zum Verhalten der Bankenaufsicht im Vorfeld der Verwerfungen seien jedoch berechtigt. Als Konsequenz aus der Krise habe die Kanzlerin auf internationaler Ebene Initiativen für eine bessere Finanzmarktkontrolle auf den Weg gebracht.
Die Opposition ihrerseits hebt hervor, bei der Rettung der HRE habe die Regierung „unzureichend verhandelt“, weshalb dem Steuerzahler ein Schaden von 337 Millionen Euro entstanden sei. Liberale, Linke und Grüne monieren, dass es keine Vorbereitung auf Schieflagen systemerelevanter Finanzdienstleister gegeben habe. Der Ausschuss habe offenbart, dass die gesetzlichen Befugnisse der Bankenaufsicht nicht ausreichen.
Bis zum Desaster im Herbst 2008 hätten Bundesbank und Bundanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Schieflage der HRE nur beobachten, aber nicht abwenden können. Bei der Bankenaufsicht existiere ein „erheblicher Reformbedarf“, meinen die Oppositionsfraktionen. Die staatlichen Kontrolleure müssten das Recht erhalten, die Geschäftsmodelle von Kreditinstituten auf inakzeptable Risiken hin überprüfen zu können, forderte Dr. Axel Troost. Und gegebenenfalls müsse die Aufsicht Geschäftsmodelle auch untersagen können, so der Obmann der Linksfraktion.
Der Ausschuss habe „gravierende Kommunikationslücken zwischen Bankenaufsicht und Finanzministerim aufgedeckt“, resümiert Dr. Volker Wissing. So habe das Ministerium nicht erfahren, dass aus Sicht von BaFin-Präsident Jochen Sanio die HRE schon seit der Depfa-Übernahme im Herbst 2007 „in der Falle“ gesessen habe. Der FDP-Abgeordnete: „Wer sich im Vorfeld der HRE-Rettung nicht hinreichend vorbereitet, darf sich nachher nicht wundern, dass die Rettungspakete wiederholt nachgebessert werden mussten.“ Auch Troost kritisiert, das Ministerium habe es „bewusst unterlassen, sich auf die potenzielle Schieflage großer Banken vorzubereiten“. So seien „Sorgfaltspflichten verletzt“ und die Steuerzahler geschädigt worden.
Für Dr. Gerhard Schick war die HRE-Rettung eine „Notlösung ohne nachhaltige Substanz“. Die Regierung habe verkannt, dass die Interessen der Verhandlungspartner aus dem Finanzsektor nicht die Interessen der Steuerzahler gewesen seien.
Der Grünen-Obmann: „Jahrelange Folgebelastungen des Haushalts sind das Ergebnis des unzureichenden Regierungshandelns.“ Schick forderte die Schaffung von Notfallplänen für Banken, die so groß seien, dass sie im Krisenfall gerettet werden müssten.
Im Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 21. September 2009 fordert der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Hans-Ulrich Krüger (SPD) "klare staatliche Handlungsanleitungen" für den Finanzsektor. Das Interview im Wortlaut:
Hat sich die Ausschussarbeit gelohnt, wie übereinstimmend FDP, Linke und Grüne behaupten? Oder war es nur ein Wahlkampfmanöver der Opposition, wie Union und SPD sagen?
Der Ausschuss hat sich durchaus gelohnt: Die Zeugenvernehmungen haben nämlich den Beweis erbracht, dass die Regierung bei der Rettung der Hypo Real Estate im Herbst 2008 verantwortlich gehandelt hat. Es ging nicht darum, einem Bankvorstand, der ein waghalsiges Spiel gespielt hat, zu Hilfe zu eilen. Vielmehr musste das Finanzsystem vor dem Kollaps bewahrt werden. Das ist geschehen.
Haben Sie selbst etwas gelernt, beispielsweise über die Macht der Banken und die Schwäche des Staates im Finanzwesen?
Die Arbeit im Ausschuss hat eines gelehrt: Alle, die sagen, der Markt allein werde die Dinge schon richten, sind im Unrecht. Wir brauchen klare staatliche Handlungsanleitungen für den Finanzsektor. Das ist eine zentrale Aufgabe für Bundestag und Regierung in der nächsten Legislaturperiode.
Wo sehen Sie denn konkreten Handlungsbedarf in nächster Zeit?
Wir benötigen eine ganze Reihe von Reformen. Die Managergehälter müssen begrenzt werden. Aufsichtsräte und Vorstände von Banken sind für Fehlentscheidungen oder negative Geschäftsentwicklungen stärker in Haftung zu nehmen. Ich denke, die Gehaltsstrukturen eines Kreditinstituts müssen gegenüber der BaFin (Bundeanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) offengelegt werden. Ganz wichtig ist eine Erweiterung der Kompetenzen der BaFin. Es ist eine schwierige Frage, ob die Aufsicht auch das Recht erhalten soll, Auflagen für die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute zu machen. Aber die Prüfung dieses Themas darf nicht ausgespart werden.
Ein Jahr nach Lehman-Pleite und Hypo-Real-Estate-Debakel scheint die Finanzwelt aber wieder zu „business as usual“ zurückzukehren.
Das kann nicht akzeptiert werden. Die Politik muss verhindern, dass der Finanzsektor wieder in den alten Trott zurückfällt. Wir sollten dabei auch neue Wege diskutieren wie etwa die Einführung einer Börsenumsatzsteuer, um das Bankwesen zur Finanzierung von Schäden heranzuziehen , die angerichtet werden.
Muss die Arbeit von Untersuchungsausschüssen effizienter werden? Zum Beispiel die „Berliner Stunde“ mit der starren Zuteilung von Zeitkontingenten für Fragen nach der Fraktionsstärke wirkt doch hemmend.
Das mag vielleicht etwas schwerfällig anmuten, aber ich keine kein besseres Modell. Die kleinen Parteien werden keinesfalls benachteiligt. Bei allen Zeugen haben wir die “Berliner Stunde“ so oft wiederholt, bis jede Fraktion all ihre Anliegen vortragen konnte. In unserem Ausschuss blieb keine Frage ungestellt.