Der Berliner Hellmut Königshaus sah am Abend des 9. November 1989 Günter Schabowski im Fernsehen, der kurz vor 19 Uhr live vor Journalisten ankündigte, alle DDR-Bürger dürften reisen, allerdings mit einem Visum im Pass. Der heutige Bundestagsabgeordnete der FDP erinnert sich: "Ich sagte noch zu meiner Frau: 'Typisch DDR, noch im Untergang bürokratisch.' Die müssen zur Volkspolizei wegen eines Stempels, aber den kriegt sowieso jeder. Wozu noch ein Stempel?
Dass die Mauer noch in derselben Nacht fallen würde, dachte ich nicht. Ich weiß noch, dass es ein Donnerstag war, als die Mauer fiel. Wir beschäftigten uns damals noch mit Fragen wie dem so genannten Dienstleistungsabend. Mit anderen Mitstreitern meiner Partei verteilten wir in Steglitz Flugblätter mit 'Ladenöffnungszeiten erweitern'. Ich war danach sehr müde und bin früh ins Bett gegangen.
Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit war ich sehr erstaunt über den dichten Verkehr und die Autos mit Ost-Kennzeichen, die sich sogar bis nach Lichterfelde verirrt hatten. Dann habe ich sofort das Autoradio eingeschaltet und die Nachricht gehört.
Was in der Nacht passierte, war nicht nur unkontrolliert, sondern geradezu eruptiv. Aus allen Richtungen, zum Teil in Morgenmänteln, weil man den Moment nicht verpassen wollte, sind sie zur Mauer gekommen.
Am 10. November bin ich abends zur Mauer, am Checkpoint Charlie haben wir als FDP noch eine spontane Aktion veranstaltet. Ein Pfarrer hielt einen Gottesdienst ab und wollte Menschen zur Umkehr bewegen. Aber das ging völlig unter. Die Stimmung hatte Volksfestcharakter. Menschenströme, Trabis wurden geschaukelt und es wurde darauf geklopft. Alle waren außer Rand und Band.
Weder die Ost- noch die Westpolizei wäre in der Lage gewesen einzugreifen. Zum Glück waren sie so besonnen, vor allem die Volkspolizisten. Sie waren auf sich gestellt und mussten keine abstrusen Befehle ausführen. Amerikanische Grenzpolizisten waren gar nicht mehr zu sehen. Vermutlich wurden sie abgezogen.
An der Eberswalder Straße, Bernauer Straße, war die Mauer noch nicht offen, es wurde aber daran gearbeitet. Da stieg ein West-Berliner Polizist auf einer Leiter hoch, von der anderen Seite ein Vopo, oben gaben sie sich die Hand. An anderen Stellen halfen die Menschen beider Seiten, die Mauer abzubauen.
Langsam musste die West-Berliner Polizei anfangen, die Mauer zu schützen, um deren Verfall zu verhindern. Alles stand auf dem Kopf. Bei uns in den Läden wurde vieles weggekauft, nicht nur die berühmten Bananen. Plötzlich gab es leere Regale, Zustände wie im Osten!
Diese Euphorie, die in diesen Tagen überall herrschte, hat mich tief berührt. Rückblickend finde ich, dass wir alle das gut verkraftet haben. Es kamen ja schon erhebliche Veränderungen auf die Deutschen zu.
Ein paar Wochen vorher habe ich meinen Kindern noch gesagt: die machen jetzt ein bisschen Demokratie, aber die Maueröffnung würde ich bestimmt nicht mehr erleben. Plötzlich war alles anders, und ich war glücklich, dass ich das erleben durfte.
Ich selber bin ja in Ost-Berlin in Adlershof geboren und war mit sechs Jahren, das war 1957, mit meinen Eltern ausgereist. Wir haben alles stehen und liegen gelassen. Nach der Wende stand das Haus offen, als es saniert wurde. Da bin ich mal rein gegangen, vieles habe ich wiedererkannt. Dass mein Wahlkreis heute in Adlershof ist, ist also kein Zufall.