Islands Antrag auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union steht am Donnerstag, 22. April 2010, im Mittelpunkt einer einstündigen Debatte im Plenum, die um 12 Uhr beginnt. Das Gesuch, das die isländische Regierung im Juli des vergangenen Jahres bei der EU eingereicht hat, wird von allen Fraktionen des Bundestages unterstützt: CDU/CSU und FDP sowie Die Linke haben dazu zwei Anträge eingebracht, über die der Bundestag abschließend berät ( 17/1059, 17/1190). Darin wird die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert, der Aufnahme von Verhandlungen über den EU-Beitritt Islands zuzustimmen.
Außerdem liegen dem Parlament insgesamt drei Entschließungsanträge von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Abstimmung vor ( 17/1191, 17/1172, 17/1171). Darin befürworten die Fraktionen ebenfalls einen Beitritt der Atlantikinsel zur EU. In einem vierten Entschließungsantrag, den die Linksfraktion bereits zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 25./26. März 2010 eingebracht hat, fordert sie zudem die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass in Brüssel die Vorlage "Europa 2020" nicht abgestimmt, sondern grundsätzlich überarbeitet wird. Der Europaausschuss hat empfohlen, den Koalitionsantrag anzunehmen und die Oppositionsvorlagen abzulehnen ( 17/1464).
Bei dem Antrag handelt es sich um eine Strategie der Europäischen Kommission für "intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum". Die Linke kritisiert die darin gesetzten Ziele "Flexibilisierung, Deregulierung und Liberalisierung". Stattdessen plädiert sie für eine stärkere Fokussierung auf "ökonomisch und sozial nachhaltiges Wachstum sowie Armutsbekämpfung, Beschäftigung und sozialen Ausgleich".
Ziel der von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Vorlage ist die "Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Island zur Europäischen Union und zur Empfehlung der EU-Kommission vom 24. Februar 2010 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen" ( 17/1190). CDU/CSU und FDP vertreten darin die Auffassung, mit Island werde eine stabile Demokratie der EU beitreten, die auch über eine funktionierende Marktwirtschaft verfüge.
Vor der Bankenkrise habe das Land bewiesen, dass es den Marktkräften im europäischen Wirtschaftsraum standhalten könne. Dies müsse es auch für die EU erreichen, heißt es im Antrag. Die EU habe dann die Möglichkeit, vom Wissen Islands auf dem Feld der erneuerbaren Energiequellen zu profitieren. Darüber hinaus liege ein Beitritt der Insel im strategischen Interesse der EU. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Nordatlantikpakts sei es sinnvoll, in diesem Bereich "präsent zu sein", begründen die Fraktionen ihre Unterstützung Islands.
Gleichwohl fordern sie die Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen deutlich zu machen, dass das Land "erhebliche Anstrengungen" unternehmen müsse, um seine Rechtsvorschriften an den gemeinschaftlichen Besitzstand anzugleichen. Dies gelte insbesondere für die Bereiche Fischerei, Landwirtschaft, Walfang, Finanzdienstleistungen, Regionalpolitik und Finanzkontrolle. Die Bundesregierung solle die Beitrittsverhandlungen mit Island unter anderem dafür nutzen, die gemeinsame Fischereipolitik der EU noch stärker am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten.
Am kommerziellen Walfangverbot der Europäischen Union müsse festgehalten werden. Insgesamt solle die Bundesregierung sicherstellen, dass Island bei seinem Beitritt die politischen und wirtschaftlichen Kriterien umfassend erfüllt, betonen die Abgeordneten.
Die Linksfraktion spricht sich in ihrer Vorlage "Verhandlungen über die Aufnahme Islands in die Europäische Union eröffnen" ( 17/1059) deutlich für einen schnellen Beitritt Islands aus: Island erfülle alle Kriterien, die der Europäische Rat 1993 aufgestellt habe. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise habe das Land zwar "in besonderer Weise" getroffen, doch die Folgen "einseitig Island aufzubürden" sei weder sinnvoll, noch löse dieses die Probleme, so die Fraktion in ihrem Antrag.
Sie plädiert daher dafür, dass die Entscheidung über den Antrag Islands nicht "verschoben oder verzögert wird, sondern unmittelbar erfolgt". Darauf habe die Bundesregierung schon auf der Tagung des Europäischen Rats vom 25./26. März 2010 in Brüssel hinwirken sollen. Die gleiche Forderung erhebt die Linke auch in ihrem Entschließungsantrag ( 17/1171).
Auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen drängen die Bundesregierung in ihren Entschließungsanträgen, der Aufnahme von Verhandlungen über eine Mitgliedschaft Islands zuzustimmen, allerdings unter bestimmten Prämissen: Die Sozialdemokraten verlangen, Island müsse sich zum "Konzept der politischen Union in der EU" bekennen. Außerdem dürfe es für das Land keine dauerhaften Sonderregelungen im Fischereisektor geben. So sollten das Walfangverbot und das Verbot des Imports von Robbenprodukten gemäß gültigen EU-Rechts keinesfalls gelockert werden.
Das betonen auch die Bündnisgrünen in ihrer Vorlage: Den Beitrittsverhandlungen mit der Atlantikinsel solle zwar "ohne weitere Vorbedingungen" zugestimmt werden, schreibt die Fraktion, Zugeständnisse oder Übergangsfristen zu Lasten des Walschutzes seien jedoch "nicht akzeptabel".
Island hatte am 17. Juli 2009 nach einer Abstimmung im Parlament offiziell bei der Europäischen Union das Beitrittsgesuch eingereicht. Hintergrund für das Streben nach einer Mitgliedschaft ist die schwere Wirtschaftskrise auf der Atlantikinsel. Ein völliger Staatsbankrott war im Herbst 2008 nur durch Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds und europäischer Länder abgewendet worden. Die isländische Regierung hofft auf einen Beitritt im Jahr 2012.