Als ungerecht und unausgewogen hat die Opposition am Mittwoch, 9. Juni 2010, in einer Aktuellen Stunde das Sparpaket der Bundesregierung kritisiert. Es belaste die sozial Schwachen und ziehe Besserverdiener nicht zur Bewältigung der Wirtschaftskrise heran. Union und FDP verteidigten ihr Vorhaben als mutig und verantwortungsvoll.
Die Aktuelle Stunde zum Thema "Abbau der Neuverschuldung durch sozial gerechte Belastung auch der starken Schultern statt massiver Kürzungen bei Arbeitslosen und jungen Eltern" fand auf Verlangen der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen statt. Sie reagierten damit das in den vergangenen Tagen präsentierte Sparprogramm der Bundesregierung.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, warf der christlich-liberalen Koalition vor, im Koalitionsvertrag Steuersenkungen vereinbart und mit der Bekanntgabe der tatsächlichen Zahlen bis nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen gewartet zu haben. Dies sei "Wahlbetrug und der Versuch der Volksverdummung".
Es sei zwar ökonomisch sinnvoll zu sparen, die Regierung habe sich in ihren Plänen jedoch nur auf den Sozialbereich konzentriert und sei dort nicht wie von FDP-Chef Guido Westerwelle gesagt mit der Nagelschere vorgegangen, sondern habe fast "ein Kettensägenmassaker" angerichtet.
Weder die betroffenen Arbeitslosen noch junge Familien hätten mit Spekulationen zur Finanzkrise beigetragen, sondern Spekulanten, die aber nicht zur Verantwortung gezogen würden, sagte Schneider.
Auch Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei Die Linke, warf der Koalition vor, nicht die Reichen, die in den vergangenen Jahren verdient hätten, zu belasten. Vielmehr habe sie "die Finger bis zum Anschlag in den Geldbörsen derjenigen, die nichts haben". Sie habe nicht den Mut, "ihre eigene Klientel zur Kasse zu bitten", dies sei "äußerst feige".
Auch der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, betonte, die Koalition spare zulasten der sozial Schwachen, statt Subventionen abzubauen. Mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gewähre sie Unternehmen Extraprofite und betreibe einen "Ablasshandel zulasten der Sicherheit der Bevölkerung".
Trittin nahm Bezug auf Berichte über Streitigkeiten zwischen Union und FDP der vergangenen Tage: Wer sich gegenseitig als "Gurkentruppe", "Rumpelstilzchen" oder "Wildsäue" bezeichne, erwecke den Anschein einer "Koalition der Kesselflicker", die nicht in der Lage sei, seriöse Haushaltspolitik zu betreiben.
Jürgen Koppelin, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, verbat sich diese Kritik: Wer wie Trittin den Bundespräsidenten "angepöbelt" habe, sei "kein Schulmeister für uns". Er sei froh, dass die Regierung mit ihrem Versuch, die Schulden zu reduzieren, den richtigen Weg eingeschlagen habe.
Für die Unionsfraktion betonte deren haushaltspolitischer Sprecher Norbert Barthle, eine solide Staatsfinanzierung sei "das Markenzeichen der christlich-liberalen Koalition"; ihr Sparpaket bezeichnete er als "große Leistung". Etwa die Rücknahme des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger sei "absolut systemgerecht": Ein Arbeitslosengeld II beziehendes Paar mit zwei Kindern verfüge bislang monatlich über 1.885 Euro netto, dies erreichten manche Handwerker nicht.
Die nun getroffene Regelung sorge daher auch dafür, "dass das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt". Barthle betonte, noch vor zehn Jahren habe der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt 35 Prozent betragen, heute seien es 54 Prozent. Darauf bezog sich auch der Liberale Otto Fricke: Wie sozial eine Regierung sei, könne man am Anteil des Haushalts für Arbeit und Soziales erkennen - dieser liege heute um fast zehn Prozent über dem Anteil zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung.
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) wies darauf hin, bei der Reduzierung des Haushaltsdefizits könne man sich nicht auf das Wachstum verlassen, sondern müsse sich auf die Ausgabenseite konzentrieren. Bezüglich der geplanten Kürzungen im Bereich Arbeit und Soziales sagte Schäuble, es gehöre zu Ehrlichkeit zuzugeben, dass "manche konkrete Einzelheit" der Programme dazu geführt habe, dass der Anteil für die Aufnahme einer regulären Tätigkeit nicht hoch, sondern sehr niedrig sei.
Man habe im Sparpaket maßvolle und sozial verantwortbare Entscheidungen getroffen und sorge so dafür, das Vertrauen der Bürger in das politische System zu erhalten. Schäuble sagte, er halte die Chancen, international zu einer Finantransaktionssteuer zu kommen, für niedrig.
Er kündigte an, sich dafür "mit aller Kraft" auf europäischer Ebene einzusetzen. Man könne dies "notfalls im europäischen Währungsverbund" machen, aber nicht im nationalen Alleingang.