5. Juli 2010
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Das Internet hat in den letzten Jahren die Gesellschaft
tiefgreifend verändert. In der ersten öffentlichen
Anhörung der Enquete-Kommission am Montag, den 5. Juli 2010,
wiesen Medienexperten, Juristen und Wirtschaftsvertreter auf die
großen Chancen für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft
hin, die es zu nutzen gelte.
„Glauben Sie nicht, dass es bei einem nicht-linearen
System möglich ist, langfristige Zukunftsprognosen zu
machen“, warnte jedoch der Psychologe Prof. Dr. Peter
Kruse von der Unternehmensberatung nextpractice GmbH. Er
empfahl der Politik „nah dran zu bleiben an den Entwicklungen
im Netz“ und „Empathie in die Wertemuster zu
geben“, die dort abgebildet seien.
Der Gestaltungsspielraum sei groß, so die
Sachverständigen, doch die Dynamik des Internets erlaube es
nicht, nur mit den herkömmlichen Methoden die Zukunft zu
gestalten. Der Informationswissenschaftler Prof. Dr. Rainer
Kuhlen empfahl möglichst große Freiräume:
“Je freier die Geschäftsmodelle im Internet sein werden,
umso mehr kann damit Geld verdient werden. Diese Lektion haben
leider unsere Unternehmen noch nicht gelernt, sondern versuchen,
durch Verknappungsformen ihre Ressourcen möglichst dicht zu
halten.”
In der Frage nach eventuellem Gesetzgebungsbedarf im Bereich des
Internets forderte der Medienrechtler Prof. Dr.
Thomas Hoeren: "Machen Sie keine Gesetze!“
Selbstregulierung, so Hoeren, sei immer der bessere Weg. Das
hätten die "katastrophalen“ Versuche mit dem
Zugangserschwerungsgesetz, dem Fernabsatzrecht und dem
Arbeitnehmerdatenschutz gezeigt, die nicht nur "inhaltlich
problematisch“ gewesen seien, sondern auch "formal
unbrauchbar“.
Der Unternehmer Lars Hinrichs forderte mehr
Vertrauen und Risikofreude: “ Es fehlt der Reiz, Unternehmer
werden zu wollen in Europa. (…) Was wir brauchen, ist
weniger Regulierung und mehr Vertrauen in unternehmerisches
Handeln, sowie mehr Vertrauen in die Möglichkeiten des
Internets.”
Auch der Internetunternehmer Peter-J. Bisa von
der tactum GmbH setzt auf ein attraktiveres Bild vom
Unternehmertum: “Wir müssen junge Unternehmer, die etwas
Tolles erfinden, wie Popstars behandeln und in den Medien
herausstellen. Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, so
dass Entrepreneurship wieder als etwas gilt. Das beginnt in den
Schulen, wo Unternehmerdasein heute als etwas Ausbeuterisches,
Negatives dargestellt wird.”
Marie-Thérèse Huppertz, Vertreterin
der Softwarefirma SAP, plädierte für ein
Förderung von regionalen Clustern, in denen das Know-How der
Firmen konzentriert werden könne. „Wir haben ansatzweise
so etwas im Rhein-Main gebiet oder München. Dort gründen
sich Firmen aus der wissenschaftlichen Forschung heraus. In diesem
Umfeld entstehen neue Ideen.“
Das Thema Medienkompetenz beleuchtete der
Medienwissenschafter Prof. Dr. Jörg
Müller-Lietzkow. Die richtige Balance zwischen Off-
und Online zu finden sei für Erwachsene und Kindern
gleichermaßen wichtig. Soziale Interaktion finde durchaus
auch bei Rollenspielen online statt. Aber man müsse Kindern
und Jugendlichen beibringen, den richtige Zeitpunkt zu finden, um
wieder offline zu gehen.
Um zu einer besseren Medienkompetenz zu gelangen brauche es
nicht unbedingt ein eigenes Schulfach, sagte der
Informatik-Professor Dr.
Wolfgang Coy von der Berliner
Humboldt-Universität. Gleichwohl müssten junge Menschen
zu Datensparsamkeit erzogen werden und die Fähigkeit erwerben,
Informationen im Netz zu finden und sie auch bewerten zu
können.