Im vierten Obergeschoss, im Dachgartenrestaurant, wird ein
Entwurf zum Projekt des "Wrapped Reichstag", des "Verhüllten Reichstags"
also, von Christo aus dem Jahr 1986 gezeigt. Im Vordergrund ist
noch die Mauer zu sehen, die Ost und West trennte.
Die farblich zurückhaltende Arbeit weckt die Erinnerung
daran, dass der Realisierung des "Verhüllten Reichstags" als
eines prächtigen Volksfests im Sommer 1995 ein über zwei
Jahrzehnte dauerndes Werben von Christo und Jeanne-Claude für ihr künstlerisches
Vorhaben bei den politisch Verantwortlichen vorausgegangen war.
Erst eine Plenardebatte am 25. Februar 1994 mit
anschließender Abstimmung erbrachte die Zustimmung des
Parlaments für das Projekt von Christo und Jeanne-Claude.
Diese späte Entscheidung verlieh ihrem Projekt einen
anderen, aber nicht minder symbolträchtigen Sinngehalt. Denn
wie die Skizze von Christo im Dachgartenrestaurant zeigt, sollte
der "Verhüllte Reichstag" ursprünglich ein Signal an der
Trennlinie zwischen Ost und West setzen. Nach der Vereinigung
Deutschlands und dem Beschluss des Ältestenrats, das
Reichstagsgebäude zum Sitz des Bundestages zu ernennen, wurde
das Reichstagsgebäude dank der Verhüllung zu einem
anderen bildmächtigen Symbol - noch vor Beginn der
Umbauarbeiten durch Norman
Foster : Indem das Gebäude vorübergehend seine
komplexe Struktur verbarg und sich dem Betrachter blockhaft als
geschlossene Form in überraschender Einheit vorstellte, bot
sich die Chance des Innehaltens und des Nachdenkens über die
bewegte Geschichte des Reichstagsgebäudes und der Deutschen.
Zugleich brachte die Verhüllung sowohl die hoffnungsvolle
Zukunftserwartung für die von Berlin ausgehende Politik als
auch für die wagnisreiche Zeit der Ungewissheit, die mit
diesem Aufbruch verbunden war, sinnfällig zum
Ausdruck.
geboren 1935 in Gabrovo, Bulgarien, lebt und arbeitet in New York.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages