Berlin: (hib/BES) Die geplante
Änderung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften wird von
Sachverständigen grundsätzlich begrüßt, zum
Teil jedoch kritisch beurteilt. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung (
15/4294) sieht eine Änderung der
Prüfungs- und Zulassungsverfahren für Medikamente und
Registrierungsvorschriften für homöopathische
Arzneimittel vor. Damit soll das europäische Recht in
nationales umgesetzt werden. In schriftlichen Stellungnahmen zu
einer öffentlichen Anhörung, die um 16.00 Uhr beginnt,
kritisiert die Mehrheit der Experten eine zu breite Auslegung der
europäischen Vorgaben. So lehnt der Bundesverband der
Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI) die vorgeschlagene
Änderung ab, wonach pharmakologisch-toxikologische Unterlagen
im Registrierungsverfahren nunmehr generell vorzulegen sind und die
Vorlage dieser Unterlagen nur ausnahmsweise entfallen kann. Es
bestehe kein Bedarf, über die Arzneimittelprüfrichtlinien
hinaus im Gesetz Anforderungen an die Vorlage von Unterlagen zu
regeln. Eine entsprechende Regelung zur Umsetzung der
europäischen Vorschriften existiere bereits. Besonders
ungünstig würde sich diese Regelung auf die
homöopathischen Arzneimittel auswirken. Der Zentralverband der
Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin e. V.
befürchtet in diesem Zusammenhang Kostensteigerungen, die
"diese Medizinrichtungen gegenüber der konventionellen Medizin
weiter benachteiligen" würden. Ähnlich wie BPI fordern
der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der
Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMID) eine
Übergangsregelung bei der Anwendung der neuen
Registrierungsunterlagen für bereits laufende
Registrierungsverfahren. Bei homöopathischen Präparaten,
die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind, soll aus der Sicht des BPI
generell auf eine Begründung zum Unbedenklichkeitsgrad
verzichtet werden. Positiv bewerten die Experten die nun
vorgesehene Abverkaufsregelung für Arzneimittel ohne
Braille-Schrift-Kennzeichnung. Die jüngste Novelle des
Arzneimittelgesetzes sieht ab dem 1. September 2006 eine generelle
Kennzeichnungspflicht auf der äußeren Umhüllung der
Medikamente in Blindenschrift. In den vorliegenden Gesetzentwurf
wurde nun eine unbegrenzte Abverkaufsfrist für solche
Präparate aufgenommen, die bereits zum Stichtag im Verkehr
waren. Die Mehrheit der Sachverständigen bewertet die Regelung
allerdings als noch unzureichend und
unverhältnismäßig. Die generelle
Kennzeichnungspflicht in Blindenschrift gehe über die
EU-Anforderungen hinaus. Danach seien lediglich neue Medikamente
der Verpflichtung zur Kennzeichnung in Braille zu unterstellen. Die
Experten weisen in diesem Zusammenhang vor allem auf hohe
Umsetzungskosten und technische Schwierigkeiten bei der
Schriftgröße auf kleinen Packungen und fordern
Ausnahmeregelungen für Präparate, die
ausschließlich durch medizinisches Personal verabreicht
werden, desgleichen für Homöopathika, Kleinstchargen und
Kleinstpackungen. Kritik an der Abverkaufsregelung übt
hingegen der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.
Diese bringe grundsätzlich die Gefahr mit sich, dass noch
über viele Jahre hinweg Medikamente ohne Braille-Beschriftung
an blinde und sehbehinderte Menschen verkauft werden. Sie
schließe außerdem nicht aus, dass noch kurz vor dem 31.
August 2006 Medikamente in erheblichem Umfang mit Umverpackungen
bisherigen Zuschnitts versehen und in den Handel gebracht
würden.Pro Generika e. V. schlägt in seiner Stellungnahme
vor, die so genannte "Bolar Provision" - eine Regelung, wonach
Arzneimittelhersteller bereits während der Patentlaufzeit
eines Medikaments die Studien und Versuche durchführen
dürfen, um ein Generikum bis zur Zulassungsreife zu entwickeln
- wie in vielen anderen Ländern mit der Novelle in deutsches
Recht zu übertragen. Die Bolar Provision, die zurzeit in
Deutschland verboten ist, werde die wettbewerbs- und
arbeitsmarktpolitischen Verwerfungen und Nachteile beseitigen, die
das aktuelle nationale Patentrecht bewirke.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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