Berlin: (hib/HAU) Der von der
Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung eines
Bundesverfassungsgerichtsurteils zur akustischen
Wohnraumüberwachung (
15/4533) ist unter Experten umstritten. Dies
wurde bei einer öffentlichen Anhörung des
Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Der Entwurf sieht
vor, die akustische Wohnraumüberwachung als
Ermittlungsmaßnahme bei der Strafverfolgung zu erhalten.
Geschützt werde jedoch, entsprechend dem Karlsruher Urteil,
der "Kernbereich privater Lebensgestaltung". Ergeben sich
während der Überwachung Anhaltspunkte für eine
Gefährdung solcher absolut geschützter Bereiche, sieht
der Entwurf eine unverzügliche Unterbrechung der Aufzeichnung
vor. Des Weiteren soll eine übersichtlichere Strukturierung
der Vorschriften sowie eine Stärkung des Richtervorbehalts
erreicht werden.Der Direktor des Landeskriminalamtes Brandenburg,
Dieter Büddefeld, sieht mit dem Entwurf das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts in allen Punkten umgesetzt, womit ein
effektiver Grundrechtschutz der von solchen Maßnahmen
betroffenen Personen gewährleistet sei. Nicht erreicht werde
jedoch das Ziel, die Praktikabilität der
Ermittlungsmaßnahme zu verbessern, um so die organisierte
Kriminalität erfolgreich zu bekämpfen. Es sei zu
befürchten, so Büddefeld, dass mit diesem Gesetz
Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung kaum noch
durchgeführt werden. Dies könne nicht im Sinne eines
Schutzes der Bürger vor allen Formen der
Schwerstkriminalität sein. Auch der leitende Kriminaldirektor
des Landeskriminalamtes Hamburg, Reinhard Chedar, lehnte den
Entwurf ab. In einer Vielzahl von sinnvollen Fällen wäre
die Überwachung nicht mehr möglich. Der vorgesehene
Abbruch der Überwachung im Falle eines Eingriffes in den
geschützten Kernbereich habe seiner Ansicht nach
Aufzeichnungslücken zur Folge, die vor Gericht zu
Manipulationsvorwürfen führen könnten. Rolf Hannich,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, sieht umfassende
Änderungsvorschläge an dem Entwurf als "nicht angezeigt"
an. Die Vorlage setze die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
sowohl materiell als auch verfahrensrechtlich zutreffend um.
Erwägenswert sei allerdings, das Ineinandergreifen von
Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten nochmals zu
überdenken, um praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung
der Maßnahme zu minimieren.Kriminaldirektor Joachim Kessler
vom Bundeskriminalamt Meckenheim sieht die sich aus dem Gesetz
ergebenden zusätzlichen Aufgaben als von der Polizei "nicht
leistbar" an. Man sei dafür weder personell noch materiell
hinreichend ausgestattet. Bisher sei eine lückenlose
Überwachung möglich gewesen. Dafür habe man mit
hohem finanziellen Aufwand technische Systeme entwickelt und
angeschafft. Eine Unterbrechung und eventuelle Löschung von
Teilen der Aufzeichnung sei damit nicht möglich, eine
Neubeschaffung von technischem Material daher unabdingbar.
Ursprünglich, so erinnerte Rechtsanwalt Christian Kirchberg
aus Karlsruhe, sollte der "große Lauschangriff" zur Abwehr
des internationalen Terrorismus dienen. Der dafür
zuständige Generalbundesanwalt habe ihn jedoch nur zweimal
angefordert. Aufgrund der nicht zu klärenden Problematik der
Kernbereichsprognose werde er auch keine große Zukunft haben
und sei daher überflüssig, so Kirchberg. Hannes
Meyer-Wieck vom Max-Planck-Institut in Freiburg bestätigte,
dass die akustische Wohnraumüberwachung entsprechend einer von
seinem Institut erstellten Studie in den meisten Fällen nichts
mit organisierter Kriminalität zu tun hatte, räumte aber
ein, dass sie dennoch zumeist erfolgversprechend eingesetzt
wurde.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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Redaktion: Dr. Bernard Bode, Michael Klein, Dr. Volker Müller,
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