Berlin: (hib/BOB) Die dringend gebotene
und vom Großen Senat des Bundesgerichtshofes angemahnte
gesetzliche Regelung der Absprachen im Strafverfahren muss einer
gesetzlichen Kronzeugenregelung vorangehen. Dies mahnte Professor
Cornelius Nestler vom Institut für Strafrecht und
Strafprozessrecht an der Universität zu Köln am
Montagnachmittag in einer Anhörung des Rechtsausschusses zu
einem CDU/CSU-Gesetzentwurf (
15/2333) an. Der Kern jeder Kronzeugenregelung
sei die Belohnung kooperativen Prozessverhaltens im Strafmaß.
Bekanntermaßen habe sich mit den "Absprachen im
Strafverfahren" ein "Parallelprogramm zum gesetzlich geregelten
Strafprozess" etabliert, in dem kooperatives Verhalten des
Beschuldigten in praktisch allen Deliktsbereichen honoriert wird.
Eine gesetzliche Regelung der Absprachen sei dringend geboten. Eine
Kronzeugenregelung müsse Bestandteil dieser allgemeinen
Regelung für abgesprochene Urteile sein. Außerdem sagte
der Experte an die Adresse der Union, ihr Entwurf stelle ab auf
"jüngste Erfahrungen in Prozessen gegen islamistische
Terroristen". Solange diese Erfahrungen nicht bekannt gemacht und
konkretisiert würden, könnten sie nicht als Grundlage der
Diskussion eines Gesetzentwurfs dienen. Auch der
Geschäftsführer der Strafverteidigervereinigungen, Jasper
Graf von Schlieffen, lehnte den Gesetzentwurf ab und sprach sich
gegen die Kronzeugenregelung aus. Diese sei mit der Gefahr
verbunden, dass sie zu einer Falschbelastung Dritter führe.Der
Bund Deutscher Kriminalbeamter begrüßte hingegen
ausdrücklich den Gesetzentwurf der Union zur
Kronzeugenregelung. Ihr stellvertretender Bundesvorsitzende Rolf
Rainer Jaeger machte deutlich, es sei ihm ein "Rätsel", warum
sich die Regierungsfraktionen "schwer tun" mit der
Wiedereinführung der Kronzeugenregelung bei terroristischen
Straftaten im Licht der Bedrohung durch islamistischen Terrorismus.
Straftäter, die beispielsweise aus der Organisierten
Kriminalität oder der schweren Wirtschaftskriminalität
stammten, und die über Sachbeweismittel nicht
überführbar seien, biete die Kronzeugenregelung die
Lösung, diese Täter zu überführen. Die
scheinbare Ungerechtigkeit, die bei der Kronzeugenregelung beklagt
werde, könne dadurch entkräftete werden, dass es in
vielen Verfahren ohne solche Kronzeugen nicht möglich sein
werde, die Beweisführung gegen "höherwertige und
gefährliche Straftäter" zu führen. Das Rechtssystem
könne aus Sicht Jaegers eher damit leben, dass geständige
Täter straffrei ausgehen oder ihr Urteil strafmildernd
ausfällt als dass sich Schwerkriminelle auf Dauer der
Strafverfolgung durch ihre professionelles Täterverhalten
entziehen können. Auch der Generalstaatsanwalt beim
Oberlandesgericht München, Christoph Strötz,
begrüßte die im Unionsentwurf enthaltenen Regelungen.
Bei Straftaten der Organisierten Kriminalität, zu der auch der
Terrorismus zu rechnen sei, sowie insbesondere bei Straftaten wie
Korruption oder Drogenverstößen stießen die
regulären Ermittlungsmaßnahmen an Grenzen.
Kronzeugenregelungen hätten sich aus sicht der Praxis
bewährt.Gegen die Einführung neuer Kronzeugenregelungen
und für die Abschaffung der bestehenden plädierte Stefan
König, Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen
Anwaltvereins. Er kritisierte die Unionsfraktion, die die
Vorstellung hege, dass der selbst in strafbares Tun verstrickte
Zeuge mit dem Angebot von Vergünstigungen zu Aussagen verlockt
werde. Die Vergünstigungen würden umso erheblicher sein,
je tiefer er verstrickt ist. Diese Entwicklung sei für die
Rechtskultur bedrohlich. Nach der Abschaffung der Regelvereidigung
werde eine weiteres "unheilvolles Signal" gesetzt. Die Honorierung
von Aufklärungs- und Vorbeugungshilfe des Beschuldigten durch
die Gewährung eines Strafrabatts kann hingegen nach Auffassung
von Florian Jeßberger vom Kriminalwissenschaftlichen Institut
der Berliner Humboldt-Universität ein "sinnvolles Instrument
der Verbrechensbekämpfung" sein. "Durchgreifende rechtliche
Bedenken grundsätzlicher Art" gegen dieses "Modell Kronzeuge"
beständen nicht. In einer gesetzlichen Regelung müsse
allerdings der Ausnahmecharakter der Unterschreitung der
schuldangemessenen Strafe deutlich werden.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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