Gedenkstunde zur Erinnerung an die Opfer des
Nationalsozialismus, Bundestagspräsident Lammert: Auschwitz
ist Chiffre, kein Ort
Bundestagsnachrichten/Bundestagsnachrichten -
27.01.2006
Berlin: (hib/MIK) "Auschwitz ist Chiffre,
kein Ort." Mit diesem Zitat der jüdischen Publizistin Grete
Weil hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU/CSU) am
Freitagvormittag im Plenum des Deutschen Bundestages seine Rede
anlässlich des Holocaust-Gedenktages eröffnet, an dem die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages aller Opfer des
Nationalsozialismus gedenken. Das Konzentrations- und
Vernichtungslager Auschwitz, das vor 61 Jahren durch Soldaten der
Roten Armee befreit wurde, sei Stätte und Symbol für den
von Deutschen begangenen millionenfachen Mord vor allem an Juden,
aber auch für die Vernichtung anderer Volksgruppen sowie von
Personen, die wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem
Nationalsozialismus zu Verfolgten wurden. "Wie sehr nicht nur wir
Deutsche dieses Gedenktages bedürfen, zeigten uns die letzten
Wochen. Mit Bestürzung haben wir zur Kenntnis nehmen
müssen, dass heute sogar Staatsoberhäupter den Holocaust
mit Nachdruck als ‚Märchen' bezeichnen und sich zu
antisemitischen Äußerungen steigern", erklärte der
Bundestagspräsident weiter. Er erinnerte daran, dass wegen
diesen "unfassbaren, wiederholten Erklärungen des iranischen
Präsidenten" der Deutsche Bundestag im Dezember 2005
fraktionsübergreifend das Existenzrecht Israels als eine
deutsche Verpflichtung bekräftigt und sich entschieden gegen
all jene gewandt habe, die den Holocaust leugneten. "Wir
müssen, wollen und werden weiterhin bereit sein, Lehren aus
unserer Geschichte zu ziehen", so Lammert weiter. Deshalb werde
auch zukünftig der Deutsche Bundestag offenen Antisemitismus
und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz anprangern,
verurteilen und bekämpfen. "Dass sich Auschwitz nicht
wiederholt, ist in unser aller Verantwortung", betonte der
Bundestagspräsident.Auch der Publizist Professor Ernst Cramer,
der nach der Reichspogromnacht im Konzentrationslager Buchenwald
inhaftiert war, sagte, dass Auschwitz vor allem ein Symbol sei.
Zwar sei Judenhass das Hauptmotiv des Nationalsozialismus gewesen,
neben den Juden seien aber auch unter anderem unzählige Sinti,
Roma, Homosexuelle, Zwangsarbeiter aus dem Osten und
Widerstandskämpfer in den Konzentrationslagern umgebracht
worden. "Juden waren damals nicht die alleinigen Leidtragenden,
aber die Hauptbetroffenen", sagte er. Für das jüdische
Volk sei dies schlimmer gewesen als die Zerstörung des Tempels
durch die Römer im Jahr 70 und die Vertreibung von der
iberischen Halbinsel im Zusammenhang mit der Inquisition. Diese
"grauenhafteste Heimsuchung" für die Juden sei zugleich der
größte, wenn auch selbstverschuldete Tiefpunkt der
deutschen Geschichte gewesen. "So tief war Deutschland noch nie
gesunken", betonte er. Cramer wies darauf hin, dass sich jetzt in
Deutschland wieder vermehrt jüdische Gemeinden entwickelten
und erinnerte an die politischen Beziehungen Deutschlands zum
jüdischen Staat Israel. Wenn es auch immer wieder
Antisemitismus gebe, bestehe kein Grund zu Sorge, wenn "wir alle
wachsam bleiben", betonte Cramer.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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