Berlin: (hib/SUK) Die Mehrzahl der
Sachverständigen hat in einer öffentlichen Anhörung
des Innenausschusses Erleichterungen für illegal nach
Deutschland eingewanderte Menschen angemahnt. "Nicht der Mensch ist
illegal, sondern nur sein Aufenthalt", argumentierte etwa der
Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., Bertold Sommer, am
Montagnachmittag. Im Mittelpunkt der Anhörung standen ein
Gesetzentwurf der Bündnisgrünen zur "Verbesserung der
sozialen Situation von Ausländerinnen und Ausländern, die
ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben" (
16/445) und ein Antrag der Linksfraktion
"Für die unbeschränkte Geltung der Menschenrechte in
Deutschland" (
16/1202). Dabei stimmte die Mehrheit der
Sachverständigen den wesentlichen Forderungen des
Gesetzentwurfs zu.Michael Bommes, Professor an der Universität
Osnabrück, wies darauf hin, illegale Einwanderung sei "immer
Ausdruck einer Leistungsschwäche von Staaten in Bezug auf
Kontrolle" und die "Rückseite von Migrationspolitik".
Menschen, die sich auf dem Territorium eines Staates aufhielten,
hätten immer das "Recht auf Erfüllung elementarer
Lebensbedürfnisse". Der Staat sei zu deren Erfüllung
verpflichtet und dürfe ihnen nicht im Wege stehen. Migranten
hätten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus das Recht
auf medizinische Versorgung oder Rechtsschutz. Gewähre man
ihnen dies nicht, seien die Folgen für die gesamte
Gesellschaft problematisch: Dies berge die Gefahr "dauerhaft nicht
oder schlecht erzogener Kindern", einer "mangelnden
Gesundheitsversorgung" und "Löchern bei der Durchsetzung des
Rechts". Indem der Staat aber das Personal öffentlicher
Einrichtungen, die illegalen Migranten diese Rechte gewähren,
zur Meldung über den Aufenthaltsstatus von Migranten
verpflichte und sie so mit Kontrollaufgaben versehe, schränke
er sie in der Erledigung ihrer Aufgaben ein und schaffe so ein
Rechtsproblem. Norbert Cyrus von der Universität Oldenburg
betonte: "Erweiterte Schutzmaßnahmen zugunsten Illegaler
führen nicht automatisch zu mehr illegaler Migration."
Entscheidend seien Maßnahmen insbesondere im Bereich des
Arbeitsmarktes, die die Anreize minderten, dass Arbeitgeber
Ausländer illegal beschäftigten und ausbeuteten. Cornelia
Goesmann, Bundesärztekammer Berlin, und Ute Koch, Katholisches
Forum Leben in der Illegalität, betonten die Notwendigkeit,
die Meldepflichten insbesondere für Ärzte abzuschaffen.
Ärzte seien verpflichtet, Patienten unabhängig von ihrem
Status medizinisch zu versorgen. Sie dürften nicht dem Druck
ausgesetzt sein, sich mit ihrem Handeln unter Umständen
strafbar zu machen. "Die Frage nach dem Aufenthaltsstatus
gehört nicht zur ärztlichen Anamneseerhebung", so
Goesmann. Es sei zudem nicht hinnehmbar, dass die Kosten für
die Behandlung illegaler Migranten nicht übernommen und vom
einzelnen Arzt bezahlt werden müssten. Die Ärzte
hätten derzeit in diesen Fragen keine Rechtssicherheit. Auch
Ute Koch betonte, der Staat habe selbstverständlich das Recht
zur Kontrolle - aber es dürfe nicht sein, dass humanitäre
Helfer strafrechtliche Verfolgung befürchten müssten.
Momentan sei es so, dass diejenigen, "die Menschen in
Notsituationen helfen, sich in einer rechtlichen Grauzone
befinden". Das müsse sich ändern.Während Bertold
Sommer klarstellte, "das Prinzip der Menschenwürde muss
letztlich Vorrang haben", sprachen sich Wilfried Schmäing vom
Hessischen Ministerium des Inneren und für Sport, und Winfried
Kluth, Professor der Universität Halle-Wittenberg, gegen die
Forderungen des Gesetzentwurfs aus. Es sei die Aufgabe, den
illegalen Aufenthalt von Menschen zu beenden, sagte Schmäing.
Die öffentlichen Einrichtungen müssten deshalb den Status
feststellen - und die Meldepflichten sollten beibehalten werden:
"Warum soll der Staat seinen Angestellten erlauben, den illegalen
Aufenthalt hinzunehmen", so Schmäing. Auch Winfried Kluth
stellte fest, es sei legitim, wenn der Staat Statusinformationen,
die er über eine "Informationsamtshilfe" erhalte, auch
verwerte. Bei den illegalen Migranten handele es sich "nicht nur um
schicksalhaft Gestrandete", sondern auch um Personen, die mit
"kriminellen Intentionen" ins Land gekommen seien. Das geltende
Gesetzt räume Ermessensspielräume ein und bemühe
sich um "Einzelfallgerechtigkeit". Die Forderung nach Abschaffung
der Meldepflichten sei daher eine "Überreaktion".