Experten: Lücke bei der Sicherungsverwahrung muss
geschlossen werden
Rechtsausschuss (Anhörung) - 19.03.2007
Berlin: (hib/BOB) Eine Mehrheit der
Sachverständigen hat es begrüßt, dass eine
Gesetzeslücke bei der Sicherungsverwahrung gefährlicher
Straftäter in Ostdeutschland geschlossen werden soll. Eine
solche Verwahrung war nur ab August 1995 möglich, da vor
diesem Zeitpunkt der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der DDR eine solche Regelung ausschloss. Nun soll
eine solche Regelung, die von Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries (SPD) erarbeitet wurde, innerhalb eines Gesetzes zur Reform
der Führungsaufsicht untergebracht werden, um ein schnelles
Inkrafttreten zu sichern.Die geplante Neuregelung sei notwendig,
machte der sachsen-anhaltinische Generalstaatsanwalt Jürgen
Konrad deutlich. Im Interesse der Sicherheit unserer
Bevölkerung müsse jeder gefährliche Straftäter,
der ausschließlich wegen einer bestehenden Gesetzeslücke
in Freiheit entlassen werden müsste, einer zuviel sein. Im
Übrigen müsse man darauf hinweisen, dass die
Sicherungsverwahrung nicht der Verlängerung einer bereits
verhängten Strafe, sondern ausschließlich der Sicherheit
der Bevölkerung diene. Sein thüringischer Kollege Michael
Haußner war ebenfalls der Ansicht, dass die Lücke
geschlossen werden müsse. Dies verhindere, dass eine
zufällig entstandene zeitliche Konstellation von Tat und
Urteil darüber entschiede, ob nachträgliche
Sicherungsverwahrung möglich ist oder nicht. Auch hielt
Haußner die vorgesehene Regelung für
"verfassungsrechtlich unproblematisch". Der Leitende
Oberstaatsanwalt aus Frankfurt an der Oder, Carlo Weber,
befürwortete ebenfalls das Schließen der
Gesetzeslücke nachdrücklich. Etwas anderes ist seiner
Meinung nach weiten Teilen der Bevölkerung nicht
vermittelbar.Gerhard Altvater, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof,
vertrat die Ansicht, das verfassungsrechtliche Risiko einer solchen
Neuregelung sei als gering einzuschätzen. Es sollte jedoch
erwogen werden, die bereits jetzt sehr unübersichtlichen
Regelung zur Unterbringung eines Straftäters in der
Sicherungsverwahrung durch "eine in sich schlüssige und
leichter verständliche Neuregelung zu ersetzen". Herbert Veh,
Präsident des Amtsgerichts Augsburg, sah ebenfalls
Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Wenn Anzeichen für die
Gefährlichkeit des Täters bereits zum Zeitpunkt der
Verurteilung besonders deutlich gewesen wären, mit wesentlich
neuen Erkenntnissen aus dem anschließenden Strafvollzug also
umso weniger zu rechnen sei, könne in den genannten
"Altfällen" (also vor August 1995) Sicherungsverwahrung
nachträglich gerade nicht verhängt werden. Diese
Lücke gelte es zu schließen. Auch verfassungsrechtlich
sah Veh keine Bedenken.Zweifel an dem Vorhaben äußerten
dagegen die von Oppositionsfraktionen benannten Experten. Professor
Joachim Renzikowski wiederholte seine grundsätzlichen Bedenken
gegen die Sicherheitsverwahrung. Der Sachverständige
kritisierte, dass mit der Ergänzung ein grundlegender Wandel
der nachträglichen Sicherungsverwahrung verbunden sei. Es
komme nicht mehr auf "neue Tatsachen" an, sondern es würden
frühere gesetzgeberische Entscheidungen korrigiert. Zudem sei
eine nachträgliche Sicherungsverwahrung mit dem durch die
Europäische Menschenrechtskonvention verbürgten
Freiheitsrecht unvereinbar. Auch Thomas Ullenbruch, Richter am
Amtsgericht Emmendingen, sah die Regelung als "hoch problematisch"
an. Unter anderem verstoße sie gegen das allgemeine
Vertrauensschutzgebot. Professor Jörg Kinzig von der
Universität Tübingen hielt es für fraglich, ob ein
Zugewinn an Sicherheit für die Bevölkerung entsteht. Der
neu gestaltete Paragraf zur nachträglichen Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei in der vorliegenden
Form abzulehnen. Die geplanten Ausweitungen dieser Vorschrift
verstärkt seines Erachtens die bereits jetzt bestehenden
verfassungs- wie menschenrechtlichen Bedenken.
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