Berlin: (hib/BOB) Die von der
Bundesregierung geplante Reform des Versicherungsvertragsrechts (
16/3945) ist von der überwiegenden
Mehrheit der Sachverständigen grundsätzlich
begrüßt worden. Auf einer Anhörung am
Mittwochvormittag erklärte Norbert Heinen, Vorsitzender der
deutschen Aktuarvereinigung (der wissenschaftlichen Versicherungs-
und Wirtschaftsmathematiker), die Verbesserung des Verbraucher- und
Kundenschutzes und der Transparenz, insbesondere in der
Lebensversicherung, würden uneingeschränkt
unterstützt. Der ehemalige CDU-Bundesminister Friedrich Bohl,
jetzt als Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher
Vermögensberater tätig, mahnte "dringend" an, die
erforderliche Flexibilität beim Vertrieb der Produkte zu
erhalten. Lebens- und Rentenversicherungen verkauften sich
schließlich nicht von alleine, sondern "müssten
verkauft" werden. Der Aufwand, den der Vermittler zu tätigen
habe, sei "beträchtlich".Kritisch betrachtet Bohl auch den
Vorschlag mit Blick auf die Höhe der Rückkaufswerte (der
Geldbetrag, den ein Versicherter bei der vorzeitigen Beendigung
einer Kapital bildenden Lebens- und Rentenversicherung von seinem
Versicherungsunternehmen erhält) von Lebensversicherungen.
Zwar gebe es die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Nach Bohls
Ansicht gehe der Gesetzentwurf aber zu weit. Denn danach solle bei
einer vorzeitigen Kündigung eines Versicherungsvertrages
künftig ein Rückkaufswert garantiert werden, der
mindestens der Höhe des Deckungskapitals entspreche, das bei
einer gleichmäßigen Verteilung der genannten Abschluss-
und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre
verbleibe. Systematisch steige damit der Anreiz für
Versicherte, Policen vor Vertragsende aufzulösen - mit weit
reichenden Folgen. Anderer Meinung war Axel Wehling von
Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft: Die im
Regierungsentwurf vorgesehene, an der Riesterrente orientierte
Regelung, die Rückkaufswerte in den ersten Vertragsjahren zu
erhöhen, werde von der Versicherungswirtschaft
unterstützt.Umstritten war die im Gesetzentwurf vorgesehene
Möglichkeit, dass der potenzielle Versicherte von der
Möglichkeit, sich über Vor- und Nachteile des
Geschäfts aufzuklären, keinen Gebrauch macht. Lilo Blunck
vom Bund der Versicherten wollte diese Option ausgeschlossen
wissen. Sonst würden sich in der Praxis eloquente Vermittler
eine Verzichtserklärung unterschreiben lassen, um ihren
Aufwand so gering wie möglich zu halten. Professor Wolfgang
Römer, Ombudsmann für Versicherungen, und sein Kollege
Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin
stießen in das gleiche Horn. Ein solcher Beratungsverzicht
könne von geschickten Vertriebsleuten dazu benutzt werden, die
vorgesehene Beratungs- und Dokumentationspflicht zu unterlaufen.
Bohl und Wehling waren anderer Meinung. Für den Kunden sei es
entscheidend, dass er alle Informationen erhalte, die für
seine Entscheidung zum Abschluss eines Vertrages relevant sind.
Viel zweckmäßiger und ökonomischer als die
Überforderung des Verbrauchers mit einer Papierflut, so Bohl,
wäre die Übergabe eines Merkblattes vor Antragsstellung.
Wehling war ebenfalls dieser Ansicht. Für die Versicherten sei
es entscheidend, dass sie rechtzeitig vor Abschluss eines Vertrages
alle wesentlichen Kerndaten eines Versicherungsangebotes in der
Hand halten. Manfred Westphal vom Bundesverband der
Verbraucherzentralen lobte den Gesetzentwurf. Es würden
zahlreiche langjährige Forderungen der
Verbraucherschützer aufgegriffen. In einigen Punkten - zum
Beispiel, um die provisionsunabhängige Versicherungsberatung
zu stärken - sehe man jedoch noch "erheblichen
Nachbesserungsbedarf".
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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