Berlin: (hib/SKE) Ganz einig waren sie
sich nicht, die 24 Sachverständigen, ob das Stammzellgesetz
von 2001 geändert werden soll. Doch in der
siebenstündigen Anhörung des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch
machten viele auf Probleme aufmerksam, die Forschern durch die
Regeln des Gesetzes entstünden. So waren alle Mediziner unter
den Sachverständigen dafür, die Stichtagsregelung
abzuschaffen und deutschen Forschern zu erlauben, an im Ausland
geführten Projekten teilzunehmen, an denen Stammzellen
verwendet werden, die in Deutschland nicht benutzt werden
dürfen.Anlass für die Anhörung ware ein
Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (
16/383) zur Änderung des Stammzellgesetzes
sowie ein Antrag der Liberalen (
16/2837), mit dem die Forschung auf dem Gebiet
der Regenerativen Medizin gestärkt werden soll. Im
Gesetzentwurf fordern die Parlamentarier die Abschaffung des
Stichtages, um deutschen Forschern neue Möglichkeiten zu
eröffnen. Die Stichtagsregelung, die besage, dass für
deutsche Forschung nur Embryonen verwendet werden dürften, die
vor dem 1. Januar 2002 produziert wurden, sei nicht nötig, um
zu vermeiden, dass Embryonen extra für die Stammzellforschung
gezüchtet würden. Daneben solle das Gesetz so
ausgestaltet werden, dass deutsche Forscher, die sich an Projekten
im Ausland beteiligen, bei denen Embryonen verwendet werden, mit
denen nach deutschem Recht nicht experimentiert werden dürfte,
straffrei blieben. Ihren Antrag begründet die FDP damit, dass
es nicht genug Spenderorgane gebe und Regenerative Medizin einen
Beitrag zu medizinisch und sozial besseren sowie
ökonomischeren Therapien leisten könnte. Um Regenerative
Medizin richtig einschätzen und einsetzen zu können,
müssten aber auch Potenziale und Risiken beim Einsatz von
Stamm- oder Vorläuferzellen geklärt werden. "Wenn Sie
sehen, wie ein kranker Junge von Treffen zu Treffen weniger wird,
und sie wissen, da sind die ganzen ungenutzten Stammzellen im
Ausland, dann habe ich damit ein Problem." Mit dieser
eindringlichen Aussage unterstrich Professor Hans Schöler vom
Max-Planck-Institut für Molekulare Biologie aus Münster
seine Ablehnung, irgendeinen Stichtag für das Alter von
Embryonen festzulegen. Er engagiere sich in vielen
Interessengruppen kranker Menschen und sehe, wie notwendig die
Forschung sei. Nach seiner Meinung würden die Zellen eines
Embryos theoretisch ausreichen, um Forschern der ganzen Welt
Material zu liefern. Jedoch seien ältere Zellkulturen bisher
oft mutiert oder wüchsen nicht. Deshalb sei es sinnvoll, dass
auch deutsche Forscher mit neueren, oft stabileren Zellen forschen
dürften. Von seinen Kollegen erhielt er Unterstützung.
"Nach fünf Jahren Stammzellgesetz stoßen wir an unsere
Grenzen", sagte Professor Anthony Ho von der
Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Seine Ergebnisse aus
der Forschung mit adulten Stammzellen hätten ihm gezeigt, dass
diese Zellen schlechter zu verwenden seien als embryonale. Gegen
eine Änderung des Gesetzes plädierte zum Beispiel
Theologieprofessor Hille Haker von der Johann Wolfgang
Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Die ethische Sachlage
habe sich seit 2002 nicht geändert. Der Staat sei
außerdem berechtigt, die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Forscher zugunsten des moralischen Schutzes von Embryonen
einzuschränken.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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