Berlin: (hib/BOB) Unterschiedlich fielen
die Meinungen zum Thema so genannter Scheinvaterschaften bei der
öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am
Mittwochnachmittag aus. Die Bundesregierung sieht in einem
Gesetzentwurf (
16/3291) vor, dass Behörden das Recht
bekommen sollen, Gerichte anzurufen, wenn sie den Verdacht haben,
dass ein deutscher Mann lediglich formal die Vaterschaft für
ein Kind übernommen hat, um die Mutter vor der Ausweisung zu
bewahren. Es ist anzunehmen, dass der Mann im Gegenzug eine oft
beträchtliche Geldsumme kassiert. Eine Unterhaltspflicht
besteht zumeist aber nicht, weil er auf Sozialhilfe angewiesen
ist.Berthold Gaaz, ehemals Leitender Ministerialrat aus Celle, hob
hervor, der Gesetzentwurf werde der "sensiblen Thematik" durchaus
gerecht. Die Befürchtung, eine ganze Personengruppe mit
Migrationshintergrund gerate unter "Generalverdacht", schien ihm
übertrieben. Das vorgeschlagene Verfahren, das mehrere
Prüfungsphasen vorsehe, bevor das Familiengericht mit einer
behördlichen Vaterschaftsanfechtung befasst werde, müsse
eher als "vorsichtig-zurückhaltend" angesehen werden. Gaaz
räumte ein, es bestünden "Unsicherheiten", wenn es darum
gehe, die familiären Beziehungen des Vaters zu dem Kind zu
überprüfen. Wolle man dem Missbrauch überhaupt
entgegentreten, müssten solche Unsicherheiten einkalkuliert
werden. Klaus Heinz, Leiter des Fachdienstes Aufenthaltsrecht und
Integration des Märkischen Kreises, berichtete, es gebe
konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Vaterschaftsanerkennungen
unter Umgehung des Rechts instrumentalisiert würden, um
ausländischen Bürgern ein Aufenthalts- und Bleiberecht in
Deutschland zu verschaffen. Solche Vaterschaftsanerkennungen seien
nicht das Ziel der Kindschaftsrechtsreform von 1993 gewesen. Nun
werde endlich dem Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung ein Riegel
vorgeschoben: Mit dem Anfechtungsrecht einer Behörde über
das Abstammungsrecht werde eine solche Möglichkeit
geschaffen.Professor Tobias Helms von der Universität Marburg
sprach von einer "ausgewogenen Lösung". Es könne nicht
"ernsthaft bezweifelt werden", dass die Abgabe wahrheitswidriger
Vaterschaftsanerkennungen, etwa zu dem Zweck, dass die Mutter eine
Aufenthaltsgenehmigung bekomme, ein "erhebliches Problem"
darstelle. Das beschränke sich keineswegs auf
Einzelfälle: Gespräche mit den Leitern verschiedener
Standesämter bestätigten, dass der Verdacht, jemand habe
eine "Scheinvaterschaft" übernommen, in den betreffenden
Behörden in den letzten Jahren immer wieder im Raum stand.
Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und
Familienrecht e.V. meinte, das ausländerrechtliche Anliegen
des Entwurfs sei zwar zu unterstützen. Durch die Verzahnung
mit dem Familienrecht ergebe sich jedoch eine "hoch problematische"
Gemengelage. Mit dem vorliegenden Entwurf werden in
äußerst gravierender Weise in Grundrechte der
Beteiligten eingegriffen. Angesichts der Tatsache, dass
"missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung" bundesweit
betrachtet sehr geringfügig sei, erscheine ihm die
Verhältnismäßigkeit nicht immer gewährleistet.
Im Übrigen würden die Ausländerbehörden "einen
Fuß in die Tür" nicht nur der Jugendämter bekommen.
Günter Piening, Beauftragter des Berliner Senats für
Integration und Migration, sagte, der Gesetzgeber schieße
"mit einer ziemlich großen Kanone auf ziemlich kleine
Spatzen". Ihm "mache es Angst", wenn im Entwurf davon die Rede sei,
dass die vorhandenen Zahlen zwar nicht belegen könnten, in wie
vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche
Vaterschaftsanerkennungen handele.Auf diesen Umstand verwies auch
Rechtsanwalt Dirk Siegfried. Seiner Ansicht nach bleibt damit der
gesetzgeberische Handlungsbedarf vollkommen ungeklärt. Er riet
deshalb dringend von der Umsetzung des Gesetzentwurfes ab. Auch
Rechtsanwalt Hubert Heinhold meinte, die Bundesregierung könne
kein empirisches Material vorlegen, das einen gesetzlichen
Änderungsbedarf überzeugend begründe. Die realen
Missbrauchsfälle machten einen Bruchteil von den genannten
rund 2.000 Fällen pro Jahr aus. Diesen geringen Fällen
gegenüberzustellen sei die weitreichende Wirkung des
Eingriffes in den Schutz der Ehe und Familie und des Kindeswohls.
Ähnlich äußerte sich Hiltrud Stöcker-Zafari
vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Sie
befürchtete, dass einem Generalverdacht binationaler Paare
Vorschub geleistet werde und dass das Kindeswohl zu wenig
Berücksichtigung fände. Bereits in der Vergangenheit habe
ihr Verband die Notwendigkeit bezweifelt, eine gesetzliche Regelung
zu schaffen, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung zu
unterbinden. Er sehe sich nach wie vor in dieser Haltung
bestätigt. Sie greife außerdem stark in die
Eltern-Kind-Beziehung ein, so Stöcker-Zafari.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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