Berlin: (hib/BOB) Überwiegend negativ
fallen die Stellungnahmen der vom Rechtsausschuss eingeladenen
Sachverständigen zu einer Anhörung zur
Vorratsdatenspeicherung am heutigen Freitagmittag aus. Grundlage
ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung (
16/5846) und eine umzusetzende Richtlinie der
EU. Nach dem Entwurf sind Telekommunikationsdienste ab 2008
verpflichtet, die Daten ihrer Kunden sechs Monate lang zu
speichern. Gespeichert wird, wer mit wem per Telefon, Handy oder
E-Mail in Verbindung gestanden hat. So werden beispielsweise die
Rufnummer sowie Beginn und Ende der Verbindung, geordnet nach Datum
und Uhrzeit, bei Handy-Telefonaten und SMS auch der Standort des
Benutzers festgehalten.Jürgen Grützner,
Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter vom
Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. aus Köln, war
der Meinung, der mit der Vorratsdatenspeicherung einhergehende
"Paradigmenwechsel im Datenschutz" hebe das bisher geltende Verbot
anlass- und verdachtsunabhängiger Datenspeicherung auf. Die
Nutzer von Telekommunikationsdiensten würden folglich unter
"Generalverdacht" gestellt. Christoph Fiedler, der unter anderem
für ARD, ZDF und den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
Stellung nahm, war der Auffassung, die Umsetzung der Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung würde in der vorliegenden Fassung die
Pressefreiheit "in einem ihrer sensibelsten Punkte mit ungeahnter
Intensität beschädigen". Zum ersten Mal erhielten
staatliche Stellen Zugriff auf alle elektronischen Kontakte von und
mit allen Journalisten. Die Abschreckungswirkung für
potenzielle Informanten sei offensichtlich. Der Berliner
Universitätsprofessor Christian Kirchner meinte ebenfalls, es
sei streitig, ob der Umfang der Vorratsdatenspeicherungspflicht
verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Dies gelte vor allem
für die Formulierung "zur Verfolgung von Straftaten". Es werde
nicht nach der Schwere und Erheblichkeit der betreffenden
Straftaten unterschieden. Rainer Liedtke, Datenschutz- und
Sicherheitsbeauftragter von E-plus-Mobilfunk GmbH kritisierte unter
anderem, dass das Gesetz schon 2008 in Kraft treten soll. Diese
Regelung sei insoweit inakzeptabel, als nunmehr - anders als im
Referentenentwurf vorgesehen - auch noch E-Mail und Internetdienste
integriert werden müssten. Der Regierungsentwurf enthalte
daneben "völlig unrealistische" Aussagen zur Kostenbelastung
der Unternehmen. Patrick Breyer vom "Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung" lehnte das Vorhaben einer
Vorratsdatenspeicherung entschieden ab. Der Sachverständige
appellierte an die Politik, sich von dem Vorhaben der umfassenden
und verdachtsunabhängigen Speicherung von Daten zu
distanzieren. Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den
Datenschutz aus Kiel, war gleicher Meinung. Das Vorhaben, die
Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und Netze
öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste pauschal und
ohne jeden Ahnhaltspunkt für eine konkrete Straftat der
betroffenen Person zu speichern, sei
unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig, so
Weichert.Ernst Wirth vom Bayerischen Landeskriminalamt
begrüßte hingegen die Speicherung von
Telekommunikationsdaten. Sie sei eine aus polizeipraktischer Sicht
"weit überwiegend begrüßenswerte Regelung". Sie
entspreche somit langjährigen Forderungen der polizeilichen
Ermittlungsarbeit und sei als "sehr gelungen" zu betrachten. Und
auch Jürgen-Peter Graf, Richter am Bundesgerichtshof, war der
Meinung, der Eingriff in das im Grundgesetz festgelegte Recht auf
informationelle Selbstbestimmung sei hinnehmbar. Die Herausgabe von
Daten dürfe nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung
geschehen. Das sei im Entwurf festgelegt.
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