Berlin: (hib/SKE) Ob nach einem
möglichen vollständigen Wegfall des
Hochschulrahmengesetzes (HRG) in der deutschen
Universitätslandschaft ein "Regelchaos" ausbrechen wird -
darüber waren sich die Experten in der öffentlichen
Anhörung des Bildungsausschusses am Montagmorgen nicht einig.
Während sich Gewerkschaften und Studentenvertreter gegen die
Abschaffung des Gesetzes aussprachen, plädierten
Hochschulrektoren und Ländervertreter überwiegend
dafür. Doch auch unter Befürwortern wurde
grundsätzliche Kritik an der Föderalismusreform laut.
Anstoß der Diskussion war ein Gesetzentwurf der
Bundesregierung (
16/6122), der vorsieht, das HRG zum 1. Oktober
kommenden Jahres aufzuheben. Damit würde der Bund auch in den
Bereichen Hochschulzulassung und -abschlüsse seine Kompetenz
aufgeben. Professor Hans Meyer von der Humboldt-Universität
Berlin kritisierte die Aufgabe des HRG, weil es Probleme bei der
Versorgung von Beamten, speziell von Professoren geben könne.
Wenn künftig Fragen zwischen den Ländern zudem jedes Mal
über Staatsverträge geregelt würden, entmachteten
sich die Parlamente selbst, da sie den Verträgen "nur noch
zähneknirschend zustimmen" könnten, wenn sie die
vorhergehenden langwierigen Verhandlungen nicht umsonst sein lassen
wollen. Auch Eva-Maria Stange vom sächsischen
Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst warnte vor einer
"Ratifizierungsfalle" und langatmigen Prozessen durch
Staatsverträge. Andreas Keller, Mitglied des
GEW-Hauptvorstandes, sah die Abschaffung des HRG nicht als
zwingende Folge der Föderalismusreform. Er plädierte
zusammen mit Regina Weber vom "freien zusammenschluss von
studentInnenschaften" für ein Bundeshochschulgesetz, in dem
einheitliche Abschlüsse geregelt seien. Die Regierung habe
durch den Bologna-Prozess Studenten zugesichert, dass sie leicht
die Universität wechseln könnten. Deswegen habe sie eine
besondere Verantwortung. Für Länderregelungen sprachen
sich dagegen die Direktorin der Hochschulrektorenkonferenz,
Professor Margret Wintermantel, Professor Peter Frankenberg vom
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Baden-Württemberg und Professor Bernhard Kempen vom Deutschen
Hochschulverband aus. "Die konkurrierende Gesetzgebung von Bund und
Ländern, wie sie bisher besteht, ist eine Fehlkonstruktion",
sagte Wintermantel. Jedes Land könne eine Bundesregelung durch
eigene Lösungen außer Kraft setzen. Im Augenblick sei
nicht davon auszugehen, dass in den Bundesländern stark
unterschiedliche Vorschriften entstehen werden. "In Oxford wird es
keinen interessieren, ob ein Bewerber einen staatlich anerkannten
Bachelor hat. Da wird gefragt, welches Renommee die Hochschule
hat", meinte Frankenberg. Kempen sah die HRG-Abschaffung als
notwendige Konsequenz der Föderalismusreform und
befürwortete daher den Gesetzentwurf.Die drei
Oppositionsfraktionen hatten zum Gesetzentwurf eigene Anträge
vorgelegt. Während die FDP in ihrem Antrag (
16/6397) die Abschaffung des HRG
befürwortete und eine stärkere Autonomie der Hochschulen
forderte, will Die Linke das HRG behalten (
16/4626). Auch Bündnis 90/Die Grünen
sprechen sich dagegen aus, das Gesetz abzuschaffen. Die Fraktion
fordert bundeseinheitliche Mindeststandards für
Hochschulzulassung und -abschlüsse.
Herausgeber
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Götz Hausding, Michael Klein, Dr.
Susanne Kailitz, Dr. Volker Müller, Monika Pilath, Günter
Pursch, Annette Sach, Bernadette Schweda, Alexander Weinlein,
Siegfried F. Wolf