Berlin: (hib/VOM) Dass die jüngst in
den Medien bekannt gewordenen Fälle von Zwangsvollstreckungen
gegen Darlehensnehmer, die ihre Baukredite ordentlich bedient
haben, gesetzlichen Handlungsbedarf erfordern, war unter den
Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung des
Finanzausschusses zum Regierungsentwurf eines
Risikobegrenzungsgesetzes (
16/7438) am Mittwochnachmittag kaum umstritten.
Zu solchen Zwangsvollstreckungen ist es nach Angaben von
Sachverständigen gekommen, nachdem die kreditgebende Bank ihre
Forderung weiter verkauft hatte, beispielsweise an eine
ausländische Nichtbank. Allerdings blieb der Wahrheitsgehalt
der Medienberichte über solche Fälle in der Anhörung
strittig.Während Marcel Köchling vom US-Finanzinvestor
Lone Star den Vorwurf zurückwies, es würde bei
pflichtgemäß bedienten Krediten aus der Grundschuld
vollstreckt, berichtete Rechtsanwalt Ingo Schulz-Hennig, solche
Fälle beschäftigten ihn 50 Stunden in der Woche.
Köchling sagte, vollstreckt werde nur bei Krediten, die nicht
mehr ordentlich bedient werden, und auch nicht in der Höhe der
Grundschuld, sondern nur bis zur maximalen Höhe der
Restschuld. Schulz-Hennig sagte, die Bestellung einer Grundschuld
durch eine Bank habe Treuhand-Charakter, und Pflichten aus einem
Treuhand-Vertrag dürften laut Bürgerlichem Gesetzbuch
(BGB) nicht abgetreten werden. Der Kunde habe, wenn er seine
schuldrechtlichen Verpflichtungen erfüllt habe, einen
Rückgewähranspruch gegenüber der Bank. Da sei zu
fragen, wie er diesen Anspruch durchsetzen wolle, wenn der Erwerber
der Forderung auf den Bermudas ansässig sei. Es dürfe
nicht sein, dass die Bank die Sicherheit der Kunden verwertet. Die
Erklärung des Kreditnehmers, sich unter die Vollstreckung zu
unterwerfen, dürfe nicht abgetreten werden, betonte
Schulz-Hennig.Den Sachverständigen lag ein zwischen
Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium abgestimmter Vorschlag
zur Änderung des Kreditwesengesetzes und des BGB vor. Danach
könnte vorgeschrieben werden, dass Banken ihren Kunden auch
Kredite anbieten müssen, deren Forderungen nicht verkauft
werden dürfen. Damit würde ausgeschlossen, dass ein
Kreditnehmer mit einem neuen Gläubiger konfrontiert wird.
Zudem wird darin vorgeschlagen, den Darlehensgeber zu verpflichten,
den Kreditnehmer drei Monate vor Auslaufen der vereinbarten
Zinsbindung oder Fälligkeit der Rückzahlungsforderung
über Änderungen im Vertragsverhältnis zu
unterrichten. Darüber hinaus sollen Kreditnehmer über
einen neuen Gläubiger oder Vertragspartner informiert werden
müssen. Dadurch könne sich der Kreditnehmer entscheiden,
ob er mit dem neuen Vertragspartner eine längerfristige
Vertragsbeziehung fortsetzen möchte. Schließlich ist
auch vorgesehen, den Kündigungsschutz der Kreditnehmer bei
Immobiliendarlehen zu erweitern.Thorsten Höche vom Zentralen
Kreditausschuss der deutschen Banken sagte, ein Verbot des Verkaufs
von "Kreditrisiken" hätte deutliche Auswirkungen, weil diese
Möglichkeit wesentlich sei für die Eigenkapitalentlastung
der Institute. Höche betonte, die Diskussion über die
Weitergabe der Kredite werde sehr ernst genommen. Einigen der
Regelungsvorschläge der Regierung stehe man aufgeschlossen
gegenüber. Frank Christian Pauli vom Verbraucherzentrale
Bundesverband sagte, wenn ein Dritter in die Beziehung zwischen
Bank und Kunde eintrete, bringe das Verunsicherung. Man könne
es den Verbrauchern nicht zumuten, die Rechtslage klären zu
lassen, ehe sie einen Kredit aufnehmen. Pauli sprach sich dagegen
aus, künftig zwischen abtretbaren und nicht abtretbaren
Forderungen zu unterscheiden. Markus Artz von der Freien
Universität Berlin plädierte dafür, die
Vollstreckungsmöglichkeiten zu beschränken. Aus einer
Sicherungsgrundschuld sollte nicht vorgegangen werden können,
wenn der Sicherungsfall nicht eingetreten ist. Da es um hohe
Streitwerte gehe, könnten Bauherrn unverschuldet in die Lage
gebracht werden, eine Klage finanzieren zu müssen, obwohl sie
ihr Darlehen regulär bedienen. Für Wolfgang Vahldiek vom
Verband der Auslandsbanken wäre eine gesetzliche Klarstellung,
dass die Grundschuld nicht ohne die Sicherungsabrede
übertragen werden kann, eine "denkbare Alternative". Professor
Sigrid Müller von der Humboldt-Universität Berlin wies
schließlich darauf hin, dass es das Geschäftsmodell des
Forderungsverkaufs weltweit gebe und man sich davon nicht einfach
abkoppeln könne.
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