Berlin: (hib/BOB) Grundsätzliche
Zustimmung gab es am Montagnachmittag für das Vorhaben der
Bundesregierung, eine Reform des familiengerichtlichen Verfahrens
in Angriff zu nehmen. Sie hatte dazu im September vorigen Jahres
dem Bundestag einen Gesetzentwurf (
16/6308) vorgelegt. Zu begrüßen sei
beispielsweise uneingeschränkt die "längst
überfällige" Einführung des großen
Familiengerichts, so Klaus Schnitzler, Fachanwalt für
Familienrecht aus Euskirchen, in einer
Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses. Das
Familiengericht soll nach Vorstellungen der Regierung zum Beispiel
zuständig sein für Verfahren zur Pflegschaft für
Minderjährige, der Adoption oder zum Schutz vor Gewalt,
für die bislang das Vormundschaftsgericht oder das
Zivilgericht zuständig ist. Der Bonner Notar Timm Starke
pflichtete ihm bei. Dem Regierungsentwurf liege ein
"schlüssiges Konzept" zugrunde. Besonders hervorzuheben sei
das Ziel einer außergerichtlichen Streitbeilegung im
familiengerichtlichen Verfahren. Und auch Jörg Grotkopp,
Richter am Amtsgericht Ratzeburg, meinte: "Wir begrüßen
die Gesetzesinitiative sehr." Gleichwohl meinte der geladene
Experte, der Versuch, das Verfahren zu verschlanken, gelinge nicht
immer.Massive Kritik übte Professor Bernhard Knittel,
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, an der
vorgesehenen Neuregelung des Instanzenzuges im Gesetzentwurf.
Dieser nenne kein einziges überzeugendes Argument für die
"Zerschlagung eines bewährten und bürgernahen
Rechtszuges" (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht) in den
klassischen Materien der so genannten freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Es werde somit zu einer "drastischen Verminderung des
Rechtsschutzes" kommen, auch auf Gebieten, auf denen der
Grundrechtsschutz eine Rolle spiele (Betreuung, Unterbringung und
andere Freiheitsentziehungen). Deswegen werde der Schutz der
Betroffenen in Betreuungs- und Unterbringungssachen durch die
vorgeschlagene Regelung "praktisch halbiert". Die
Sachverständigen Schnitzler und Ulrike Donat,
Rechtsanwältin für Familienrecht aus Hamburg, stimmten
dem zu.Anders argumentierte Professor Florian Jacoby von der
Juristischen Fakultät der Universität Bielefeld: Die
"Straffung des Instanzenzuges" sehe er als "nicht so negativ" an.
Und Professor Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof
in Karlsruhe, meinte, es sei "zu diskutieren", ob in allen
Bereichen, die künftig dem Familiengericht zugewiesen werden
sollen, derselbe Instanzenzug zu fordern sei oder ob die als
bürgernah bezeichneten Oberlandesgerichte auch künftig
die Aufgabe haben, die Entscheidungen der Landgerichte zu
überprüfen. Grundsätzlich zu begrüßen sei
aber, so Vorwerk, dass künftig der Bundesgerichtshof auch im
Bereich des Familienrechts die Aufgabe habe, Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung zu klären und die Einheit der
Rechtsprechung zu sichern.Angelika Nake vom Deutschen
Juristinnenbund aus Berlin lobte den Entwurf insofern, als nunmehr
alle Gewaltschutzsachen vor dem Familiengericht verhandelt werden
sollen. Das werde "ausdrücklich unterstützt". Es sei aber
eine Regelung anzufügen, nach der Gewaltschutzverfahren
"vorrangig und beschleunigt" eingeleitet werden sollen.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen (bis 31.03.2008), Saskia Leuenberger
(ab 01.04.2008 )
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