Berlin: (hib/BOB) Durchaus unterschiedlich
waren die Meinungen von Sachverständigen, die am
Mittwochnachmittag zu einer zweiten Anhörung zur Novellierung
der Insolvenzordnung geladen worden waren. Im Mittelpunkt stand
dabei die Frage, ob Lizenzen einen Sonderstatus erhalten sollen.
Die Regierung verspricht sich davon eine Stärkung des
Wirtschafts- und Forschungsstandortes Deutschland. Nur so
könne verhindert werden, dass deutsche Unternehmen in das
Ausland abwandern. Die Regelung ist Teil eines Gesetzentwurfes der
Bundesregierung (
16/7416).Professor Heribert Hirte von der
Universität Hamburg, begrüßte die vorgeschlagene
Regelung. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass der
Insolvenzverwalter die weitere Realisierung eines Lizenzvertrages
verweigere, sobald ein Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Lizenzgebers eröffnet würde. Diese
bisherigen Risiken hätten dazu geführt, dass
beispielsweise Software-, Pharma- oder BioTech-Unternehmen ihren
Firmensitz ins Ausland verlegt hätten. Der
Sachverständige schlug jedoch eine Reihe von
Änderungsvorschlägen vor. Er wies beispielsweise darauf
hin, dass der Begriff "geistiges Eigentum" näher
erläutert werden sollte. Auch Rechtsanwalt Rainer Bausch aus
Ingelheim am Rhein bezeichnete die von der Bundesregierung
vorgeschlagene Änderung der Insolvenzordnung im Hinblick auf
Schuldner als Lizenzgeber als "dringend notwendig". Sie sei "gut
für unseren Standort im internationalen Vergleich" und
berücksichtige angemessen die Interessen der verschiedenen
Seiten. Die Pharmaindustrie sei aufgrund ihrer sehr hohen und
weiterhin steigenden Investitionen in Forschung und Entwicklung von
der Neuregelung besonders betroffen, so Bausch. Der
Sachverständige wies darauf hin, dass die Entwicklung eines
neuen Medikaments im Durchschnitt zehn bis zwölf Jahre dauere
und 800 Millionen Euro koste. Professor Winfried Bullinger,
Rechtsanwalt aus Berlin, meinte ebenfalls, das Ziel der
Insolvenzrechtsreform, Lizenzverträge "insolvenzfest"
auszugestalten, sei richtig. Die gegenwärtige rechtliche
Situation führe zu Ungerechtigkeiten im Insolvenzfall und
hemme Lizenzgeschäfte.Ganz anderer Meinung war der
Rechtsanwalt Rolf Leithaus aus Köln: Die geplante
Einfügung eines neuen Passus in die Insolvenzordnung stelle
einen Eingriff in den Grundsatz der Gleichbehandlung der
Gläubiger dar. Dass die Insolvenz eines Vertragspartners
negative und sogar existenzbedrohende Folgewirkungen auf die
anderen Partner habe, liege in der Natur der Sache. Eine
Besserstellung von Rechten von Lizenznehmern im Verhältnis zu
sonstigen Vertragspartnern sei nicht zu rechtfertigen. Frank Frind,
Richter am Amtsgericht Hamburg, sah dies genauso: Die vorgesehene
Regelung schaffe unnötige Sonderrechte für einzelne
Gläubiger. Sie öffne so die "Büchse der Pandora".
Professor Wolfgang Marotzke von der Universität Tübingen
stimmte dem zu. Vor dem Hintergrund, dass die Insolvenz eines
Unternehmens für den Inhaber wie für Gläubiger eine
"Katastrophe" sei, verstehe es sich nahezu von selbst, dass
oberstes Prinzip des Insolvenzrechts die Gleichbehandlung aller
Gläubiger sein müsse. Klaus Pannen, Rechtsanwalt aus
Hamburg, bezeichnete die vorgeschlagene Regelung als
"problematisch". Es sei kein Grund ersichtlich, eine Sonderregelung
nur für Lizenzverträge zu schaffen.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen (bis 31.03.2008), Saskia Leuenberger
(ab 01.04.2008 )
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