Berlin: (hib/MIK) Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums - Single European Sky (SES) - wird von den Experten begrüßt. Dies wurde am Mittwochmittag bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses deutlich, bei der es um einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/12279) zur Ausgestaltung einer EU-konformen Luftsicherung ging sowie um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/11608), mit dem ein Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung errichtet werden soll. Einbezogen in die Anhörung war ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Grundgesetzes ( 16/12280).
Joachim Hunold vom Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) betonte in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass mit dem Vorhaben SES bis zu 12 Prozent der vom europäischen Luftverkehr verursachten CO2-Emissionen eingespart werden könnten. Dieses würde aus kürzeren Flugrouten, treibstoffeffizienteren Flughöhen sowie aus dem Abbau von Warteschleifen führen. Damit würden nicht nur die Umwelt sondern auch die Fluggesellschaften, deren Kosten über 20 Prozent auf Treibstoff entfallen würden, deutlich entlastet werden. "Dies ist ein Konjunkturpaket, das den Steuerzahler nichts kostet", betonte Hunold. Mit der Gesetzesänderung würden auch nach dem EU-Recht zugelassene Flugsicherungen die Wahrnehmung von Aufgaben der Flugsicherung der Bundesrepublik Deutschland erlaubt werden. Dies sei zwingende Voraussetzung für das Kernelement des Vorhabens SES - die Schaffung sogenannter funktionaler Luftraumblöcke. Er forderte jedoch, dass anders als im Gesetzentwurf vorgeschlagen für alle Fluglotsen unabhängig von ihrem Lebensalter die gleichen Anforderungen gelten sollten. Im Gesetzentwurf sei eine Altersgrenze von 55 Lebensjahren vorgesehen, mit der die ohnehin schon regelmäßig stattfindenden Tauglichkeitstests für Fluglotsen um "zusätzliche Anforderungen" ergänzt werden sollten.
Auch Dieter Kaden, Vorsitzender der Geschäftsführer Deutsche Flugsicherung (DFS), hält die in den Gesetzentwürfen vorgeschlagenen Regelungen für "dringend notwendig". Sie würden das zurzeit rechtliche und politische Machbare darstellen. Weitere Verzögerungen seien nunmehr unter allen Umständen zu vermeiden, forderte er. Mit dem vorgelegten Gesetzespaket könne sichergestellt werden, dass die DFS GmbH, aber auch alle anderen in Deutschland tätigen Flugsicherungsorganisationen, klare Vorgaben erhalten würden, die im einzelnen nun auch durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weiter präzisiert werden könnten und müssten. Für Dirk Wendland, von der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) dürfte der Wunsch, diese Gesetzesvorhaben noch vor Ablauf der Legislaturperiode umsetzen zu wollen, nicht dazu führen, dass es in einem sensiblen Bereich wie der Flugsicherung zur Absenkung von bestehenden Sicherheitsstandards und zu Auslegungsfragen in der Umsetzung von Gesetzen kommen könne. Deshalb hielt er drei Änderungen für unbedingt notwendig. So müsse zum Beispiel gemäß den SES-Verordnungen die Trennung von operativen und regulativen Aufgaben im Bereich der Flugsicherung sichergestellt werden. Arne von Spreckelsen, ver.di-Gewerksschaftssekretär, stellte die Notwendigkeit der Grundgesetzänderung in Frage. Dadurch sah er die mögliche Gefahr einer Folgeprivatisierung der Flugsicherung, die zuletzt Bundespräsident Horst Köhler aus verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt hatte.
Für Professor Joachim Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer entsprechen die Gesetzentwürfe dem gemeinsamen Ziel, dass deutsche Recht der Luftverkehrsverwaltung europatauglich zu machen. Sie würden die Verantwortung des Bundes für die Flugsicherung auch dort sichern, wo ausländische Organisationen eingeschaltet würden und legten die Grundlage für eine effektive Aufsicht durch das neue Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Professor Michael Ronellenfitsch von der Universität Tübingen hielt auch die Grundgesetzänderung für notwendig. Er setzte sich aber dafür ein, dass der Satz im Gesetzentwurf "soweit Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegensteht" gestrichen wird. Es dürfe keinen "Kotau vor europäischen Vorgaben geben".
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