Mit den Sozialversicherungswahlen werden Repräsentanten der Mitglieder der Sozialversicherungen in die Gremien der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger gewählt, also etwa der Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Krankenkassen. Die Sozialversicherungswahlen gehörten neben den Bundestags- und Europawahlen gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten zu den größten Wahlen in Deutschland, betonte Weiß. Sozialparlamente und Verwaltungsräte nähmen wichtige Funktionen der Kontrolle und Initiative wahr.
Nach Auskunft von Weiß hat es bei den Sozialversicherungswahlen jedoch inzwischen eine kritische Verschiebung gegeben: Von 10.000 zu vergebenen Plätzen seien nur noch 189 tatsächlich über direkte Wahlen besetzt worden. Alle anderen würden inzwischen durch sogenannte ”Friedenswahlen“ entschieden, wo sich konkurrierende Listen auf Kandidaten verständigten. ”Die Ausnahme ist zur bedenklichen Regel geworden“, sagte Weiß.
Die Union äußerte sich besorgt über die Entwicklung, dass den Sozialversicherungen zunehmend Aufgaben abgenommen würden, ”durch uns, durch das Parlament“, anstatt der Selbstverwaltung mehr Aufgaben zu überlassen. Die CDU/CSU-Parlamentarier sehen mit Sorge, dass die Friedenswahlen einen derart breiten Raum einnehmen, ”aber die weitaus größte Zahl der Versicherten wählt nach wie vor“, weil die Stellen in den großen Sozialversicherungen, etwa bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, noch über echte Wahlen besetzt würden. Die FDP bekräftigte ihre traditionell skeptische Haltung zu den Sozialwahlen und fühlte sich bestätigt durch die von Weiß erwähnte kritische Beurteilung des Bundesrechnungshofs, bei den Sozialwahlen gebe es ein Demokratiedefizit.
Die Linke regte an, Ideen zu suchen, wie die in ihren Augen wichtigen Sozialwahlen den Menschen wieder näher gebracht werden könnten. Die SPD-Fraktion betonte, es sollte darüber nachgedacht werden, wie ”externe Kompetenz in das System der Sozialversicherungen“ gelenkt werden könne und zugleich ”die Akzeptanz erhöht wird“. Bündnis 90/Die Grünen zeigten sich ”erschrocken“ darüber, dass von 10.000 Vertretern ”nicht einmal 200“ durch echte Konkurrenz gewählt würden. Das sei ”schon ein grundsätzliches Problem“, hieß es aus den Reihen der Grünen. Wenn man bei Wahlen keine echte Wahl habe, stelle sich doch für den einzelnen die Frage, warum er überhaupt teilnehmen solle.
”Im Strom kann man die Pferde nicht wechseln“, erwiderte Weiß und regte an, nach der nächsten Sozialwahl nach Lösungen zu suchen, wie die Friedenswahl ”wieder zur Ausnahme werden kann“. Ganz abschaffen ”würde ich sie jedoch nicht“, sagte er. Zudem forderte Weiß die Parlamentarier auf, die technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für Online-Wahlen zu schaffen. Wenn die Schwelle niedriger läge, hofft er, würde auch die Wahlbeteiligung wieder steigen.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Saskia Leuenberger
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Michaela Hoffmann, Michael Klein,
Hans-Jürgen Leersch, Johanna Metz, Monika Pilath, Helmut
Stoltenberg, Alexander Weinlein