Auch Hans-Peter Kaul, Richter am IStGH, forderte die Regierung auf, sich mit Nachdruck dafür stark zu machen. Die Aussicht auf Erfolg bezeichnete er als ”so gut wie nie zuvor“. Kaul stellte allerdings klar, dass er in dieser Frage nicht in seiner Funktion als Richter am IStGH spreche, da das Gericht hierzu keine Position beziehe.
Als ”überfällig“ bezeichnete der frühere Abgeordnete der Fraktion Die Linke, Norman Paech, die Definition des Aggressionsverbrechens. Er wies aber darauf hin, dass ”dieses Projekt“ nur gelingen könne, wenn die Vertragsstaaten des IStGH auch bereit seien, Anklagen gegen sich selbst entgegen zu nehmen. Mit Verweis unter anderem auf das Jugoslawien-Tribunal und den Goldstone-Bericht betonte er, dass diese Notwendigkeit bisher nicht beachtet worden sei und daher die Gefahr einer ”Siegerjustiz“ bestehe. Annette Groth von der Linksfraktion sagte hierzu, für sie stehe außer Frage, dass in Gaza, Afghanistan und Irak Kriegsverbrechen begangen würden.
Gegen die Erweiterung des Strafrechtskatalogs wandten sich Eckart Klein und Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam. Zimmermann betonte, der ”wünschenswerten Verfolgung des Aggressionsverbrechens“ als internationale Straftat stünden ”nach wie vor nicht unwesentliche völkerrechtliche Bedenken“ entgegen. Der Konsens darüber, wann eine Handlung völkerrechtlich als Aggression zu klassifizieren sei, gehe auseinander und viele Situationen fielen in eine völkerrechtliche Grauzone. Zudem sei es fraglich, ob der IStGH als die geeignete Institution angesehen werden könne, über das Vorliegen einer Aggressionshandlung zu entscheiden. Dies soll nach Auffassung Zimmermanns im Regelfall durch den UN-Sicherheitsrat geschehen.
Auch Klein sagte, ohne die Einbeziehung des UN-Sicherheitsrates könne ein Angriffskrieg nicht definiert werden. Daher solle man am derzeitigen Zustand auch nichts ändern. Eine Einbeziehung des Sicherheitsrates wirft laut Klein einen ”zutiefst politischen Schatten auf die Gerichtsbarkeit des IStGH, die der Institution als Ganzes nur schaden kann“.
Claus Kreß schlug ein Kompromissmodell vor. Dabei wäre der Sicherheitsrat zunächst befugt, ein Verfahren vor dem IStGH auszulösen, mit der Folge, dass ihm eine universelle Zuständigkeit eröffnet wird. Daneben würde dem Gerichtshof die Befugnis eingeräumt, ein Verfahren zu eröffnen, wenn die direkt betroffenen Staaten die Aggressionsregelung ratifiziert haben.
Die SPD-Fraktion sagte nach den Stellungnahmen der Experten, sie habe ”Bauchschmerzen“ dabei, die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates zur Voraussetzung für ein Tätigwerden des IStGH zu machen. Auch Bündnis 90/Die Grünen bezeichneten es als ”problematisch“, die Einschätzung des Sicherheitsrates vorauszusetzen. Von einem ”sehr komplexen Unterfangen“, die Gerichtsbarkeit des IStGH auf das Aggressionsverbrechen auszuweiten, sprach die FDP, betonte aber, Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung in dieser Frage. Die CDU/CSU-Fraktion wies darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft selten die Chance habe, das Völkerstrafrecht weiterzuentwickeln. Es forderte, ”diese Chance mit Nachdruck“ zu nutzen.
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