Berlin: (hib/HAU/KTK) Am Montagnachmittag fand die erste reguläre, öffentliche Sitzung der neu konstituierten Enquete-Kommission ”Internet und digitale Gesellschaft“ statt. Im Mittelpunkt der Sitzung stand das Thema ”Netzneutralität“. Darunter versteht man den Grundsatz, dass Netzbetreiber keinen Unterschied bei den Inhalten oder Anwendungen in ihren Netzen machen oder diese aufgrund eigener Interessen beschränken dürfen.
Kontrovers diskutiert wurde in der Sitzung die Frage, ob der Markt der Online-Diensteanbieter allein in der Lage ist, für Netzneutralität zu sorgen oder ob staatliche Regelungen dazu benötigt werden. Einig hingegen war sich die aus Abgeordneten und externen Sachverständigen bestehende Kommission darin, dass es wichtig sei, eine Definition für den Begriff Netzneutralität zu finden, der für weitere Beratungen genutzt werden könne.
Wie im Koalitionsvertrag festgehalten, vertraue die Unionsfraktion darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet sicherstellt, sagte der CDU-Abgeordnete Peter Tauber. Gleichzeitig werde die Entwicklung aber sorgfältig beobachtet, um notfalls zur Wahrung der Netzneutralität gegensteuern zu können. Fehlende Netzneutralität, so die Verbraucherschützerin Cornelia Tausch, zeige sich für den Verbraucher in dem Moment, in dem er bestimmte Inhalte in Netz nur noch gegen Bezahlung erhalten kann, die ein Anbieter ihm vorher als kostenlose Leistung zugesagt hatte. Der Wettbewerb unter den Internetservice-Providern ”findet nicht wirklich statt“. Das liege nicht zuletzt an den noch immer üblichen 24-Monats-Verträgen, die es verhinderten, den Wettbewerber zu wechseln.
Widerspruch dazu kam vom FDP-Abgeordneten Sebastian Blumenthal. Es gebe inzwischen durchaus Anbieter, die kürzere Vertragslaufzeiten anbieten würden. ”Das hat der Markt geregelt“, sagte Blumenthal. Auch würden Eingriffe der Unternehmen in die Netzneutralität zu Imageschäden führen, die die Marktchancen verschlechtern würden. Dem Markt zu vertrauen riet auch der Medienrechtler Hubertus Gersdorf. Wenn große Anbieter einige Dienste nicht verbreiten würden, könnten kleinere Unternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang in die Netze zu ihrem Geschäftsmodell machen. Staatliche Regulierung sei seiner Ansicht nach erst nötig, wenn es zu einem Marktversagen komme.
Das Marktversagen sei schon eingetreten, entgegnete Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs. ”Dass es einen gut funktionierenden freien Markt gibt, ist eine Chimäre.“ Es gebe ”monopolistische und oligopolistische Bereiche“. Erweitertes staatliches Handeln sei nötig, sagte Kurz. Das zeige nicht zuletzt auch die fehlende Reaktion der Bundesnetzagentur auf die Sperrung bestimmter Internetdienste wie sogenannter ”Voice-over-IP“-Dienste, das sind Internet-Telefonie-Angebote.
Der Software-Entwickler Alvar Freude sprach über die Problematik, ”Netzneutralität“ zu definieren. Seiner Ansicht nach gehe es vorrangig um einen ”diskriminierungsfreien und transparenten Zugang zum Netz“. Diskriminierungsfrei bedeute, dass jeder Nutzer gleich behandelt werden müsse. Transparenz wiederum, dass ”Änderungen bei der Gleichbehandlung“ nachvollziehbar dargestellt sein müssten. ”Wenn jemand seine Spam-Mails selber filtern möchte, sollte er die Möglichkeit dazu haben.“ Die Abgeordnete der Linksfraktion Halina Wawzyniak schloss sich dieser Sichtweise an. Sie erhob die Forderung, dass ”jeder Nutzer Zugang zu allen legalen Inhalten des Internets haben sollte“. Die Unterscheidung von legal und illegal lehnte der Blogger und netzwerk.org-Gründer Markus Beckedahl ab. Das sei ”sehr gefährlich“, da nicht klar sei, wer nun definieren dürfe was gerade legal oder illegal ist. Manches Neue sei schließlich nur deshalb illegal, weil es dafür noch keinen rechtlichen Rahmen gebe.
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