Berlin: (hib/JR/JOH) Mit einer Einführung in die rechtlichen Grundlagen und die historischen Zusammenhänge der Entscheidung für Gorleben als möglichen Standort zur Lagerung radioaktiver Abfälle hat der Erste Untersuchungsausschuss (Gorleben) am Donnerstag seine Arbeit fortgesetzt. Bevor das Aktenstudium beginnt, wollten die Ausschussmitglieder von zwei Sachverständigen grundlegend informiert werden.
Henning Rösel erläuterte in der Sitzung, warum das Bergrecht für die Vorbereitungen zur Erkundung des Salzstocks bei Gorleben herangezogen wurde. ”Das Atomgesetz von 1959 kannte keine Regelung über eine Endlagerung“, sagte der ehemalige Vize-Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz. In den 1970er Jahren war der damalige Projektleiter an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) mit den Vorarbeiten beauftragt worden. Die damalige Bundesregierung habe 1974 ein Konzept zur Endlagerung vorgelegt, ”1976 wollte das Kabinett dann mit dem Beginn des Planfeststellungsverfahrens Flagge zeigen“, sagte Rösel.
Geltendes Recht sei damals das Preußische Bergrecht von 1865 gewesen – mit der Sonderregelung aus dem Hannoverschen Königreich, wonach die Eigentümer von Grund über Salzböden auch über Arbeiten in diesen Böden verfügen könnten. ”Erst durch die Öffentlichkeitsarbeit der PTB erfuhren die Besitzer von diesem Umstand. Diese Ehrlichkeit brachte uns einige Schwierigkeiten ein“, sagte er; einige von ihnen verweigerten bis heute Erkundungsarbeiten in ihrem Grund.
Auf Nachfrage erklärte Rösel, dass ein Planfeststellungsverfahren nach Atomrecht auch möglich gewesen wäre, ”unter Einbau des Bergrechts“. Atomrecht indes sieht mehr Mitwirkungsrechte der Öffentlichkeit vor. ”Eine formelle Bürgerbeteiligung hat es nicht gegeben“, sagte Rösel. ”Wir haben aber in sehr umfänglichem Stil die Bevölkerung informiert. Er sei in manchen Arbeitswochen an vier Abenden abends in der Region zu Vorträgen unterwegs gewesen.
Rösel erläuterte zudem, dass sich gleich mehrere Behörden die Zuständigkeit für die Vorbereitung der Erkundungsarbeiten geteilt hätten. ”Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Forschung und Technologie war das Bundesinnenministerium zuständig“, sagte er. Die PTB sei indes eine nachgeordnete Behörde des Bundeswirtschaftsministerium gewesen, welches Mitspracherechte beansprucht habe und ”eine Rolle spielte“. Das Bundesbauministerium habe dagegen vom PTB verlangt, sich bei den Arbeiten an den ministeriumseigenen Richtlinien zu orientieren. Eine Sonderrolle habe zudem das Bundeskanzleramt eingenommen. ”Bei fast allen Sitzungen war das Amt anwesend“, sagte Rösel. Zuweilen habe das Kanzleramt bei Dissens unter den beteiligten vier Bundesministerien entschieden.
An der Vorauswahl eines Standorts für die Erkundungen sei die PTB nach Darstellung Rösels nicht beteiligt gewesen: ”Gorleben wurde uns vorgegeben.“ Im Planfeststellungsverfahren sei es derweil nicht darum gegangen, den besten Standort zu finden, sondern den Nachweis der Langzeitsicherheit von Gorleben zu führen. ”Die Entscheidung von 1977 für die Erkundung von Gorleben war fachlich und rechtlich einwandfrei.“
Der Historiker Detlev Möller leuchtete vor dem Ausschuss das Umfeld der Entscheidung für Gorleben aus. Er zitierte eine Gesprächsnotiz aus dem Bundeskanzleramt vom 15. Dezember 1976 über das Einvernehmen, in Niedersachsen ein Entsorgungswerk zu errichten. Zwar reiche der Salzstock zu zwei Dritteln in das Gebiet der DDR hinein, hieß es darin. Geologisch sei Gorleben aber am besten, zitierte Möller. Ferner stand in der Notiz, dass das niedersächsische Wirtschaftsministerium Gorleben als Standort bevorzuge, weil er innenpolitisch am leichtesten durchzusetzen sei.
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