Vorabmeldung zu einem Interview in der kommenden Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 13. Juli 2009) - bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Der Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Hans-Joachim Otto (FDP), bezeichnete die Ratifizierung beziehungsweise Umsetzung der Unesco-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz und zum Schutz kultureller Vielfalt als wichtige Projekte des Kulturausschusses. Über die Vorgänge, die zur Aberkennung des Weltkulturerbes in Dresden führten, zeigte er sich jedoch äußerst unzufrieden: „Die Aberkennung des Weltkulturerbes ist die größte Enttäuschung für uns Kulturpolitiker während dieser Legislaturperiode. Sie beweist, dass wir sehr genau bei jedem internationalen Übereinkommen für eine lückenlose Durchsetzung unserer völkerrechtlichen Verbindlichkeiten sorgen müssen.“ Er plädierte erneut für ein Umsetzungsgesetz des Bundes oder verbindliche Vereinbarungen der Länder, um die Wirksamkeit der Konvention sicherzustellen.
Insgesamt zeigte sich Otto mit der Kulturpolitik der 16. Legislaturperiode zufrieden. Als Erfolge hob er die Filmförderung, die Reform des Stasi-Unterlagengesetzes sowie die Steigerung des Kulturhaushaltes hervor. Seine Bilanz für die Medienpolitik des Bundes fiel jedoch schlechter aus: „Im Bereich der Medienpolitik waren die letzten vier Jahre verlorene Jahre. Wir haben es nicht geschafft, gemeinsam mit den Ländern eine einheitliche Medien- und Kommunikationsordnung zu schaffen.“ Otto plädierte für einen Abbau der Bürokratie bei der Medienaufsicht und eine Reform des Rechtsrahmens für Internetserviceanbieter.
Das Interview im Wotlaut
Was war das letzte kulturelle Ereignis, was Sie besucht haben?
Ich war vor wenigen Tagen in der Ausstellung „Raub und Restitution“ im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main. Zum einen, weil ich mich dort im Vorstand des Fördervereins engagiere, zum anderen, weil diese Ausstellung mir Erkenntnisse für meine parlamentarische Arbeit bringt. Sie hilft mir, meine Sensibilität gegenüber geraubter Kunst zu erhöhen.
2008 haben Bund und Länder die Arbeitsstelle für Provenienzforschung eingerichtet, um etwa Museen bei der Identifizierung von Kunstwerken zu helfen, die während der Nazi-Zeit ihren Besitzern entwendet wurden. Müsste noch mehr getan werden?
Der Bund hat immerhin gehandelt. Es wird in dieser Frage viel zu wenig getan von Ländern und Kommunen, die für diese Aufgabe – als Träger der Museen – primär zuständig sind. Ich bedaure es auch, dass wir es 2008 versäumt haben, zum zehnten Jahrestag des Washingtoner Übereinkommens zur Rückgabe von Kunstwerken eine große internationale Regierungskonferenz zu veranstalten. Stattdessen haben wir ein Expertenkolloquium abgehalten. Das war nicht ausreichend. Wir sollten als Deutsche ruhig offensiver mit dem Thema umgehen. Das dient nicht nur der Moral. Die Erfahrung lehrt, dass es viel größere Chancen gibt, sich mit den Erben zu einigen, wenn die Museen Provenienzrecherche aktiv betreiben.
Welche waren die wichtigsten Projekte des Kulturausschusses von 2005 bis 2009?
Wir haben dazu beigetragen, dass der Kulturhaushalt in dieser Legislaturperiode immerhin um zehn Prozent gestiegen ist, entgegen dem Trend der vergangenen Legislaturperioden. Mit der Modernisierung der Filmförderung haben wir Deutschland hier an die Spitze gebracht. Es war sicher auch ein Erfolg, dass wir die Unesco-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz sowie zur kulturellen Vielfalt ratifizieren beziehungsweise umsetzen konnten. Sehr wichtig war auch die Verabschiedung des Gedenkstättenkonzepts und die Reform des Stasi-Unterlagengesetzes.
Das Dresdner Elbtal wurde von der Weltkulturerbeliste gestrichen. Wie viel Sinn machen Unesco-Abkommen noch?
Die Aberkennung des Weltkulturerbes ist die größte Enttäuschung für uns Kulturpolitiker während dieser Legislaturperiode. Sie beweist, dass wir sehr genau bei jedem internationalen Übereinkommen für eine lückenlose Durchsetzung unserer völkerrechtlichen Verbindlichkeiten sorgen müssen. Am Beispiel Dresdens zeigt sich, dass wir in Deutschland leider doch Umsetzungsgesetze durch den Bund oder die Länder – sofern sie sich einigen – brauchen. Das wird eine der großen Baustellen für die kommenden Jahre bleiben.
Wie fällt Ihre Bilanz für die Medienpolitik des Bundestages aus?
Im Bereich der Medienpolitik waren die letzten vier Jahre verlorene Jahre. Wir haben es nicht geschafft, gemeinsam mit den Ländern eine einheitliche Medien- und Kommunikationsordnung zu schaffen. Die technische Entwicklung ist im zersplitterten Regulierungsrahmen nicht abgebildet. Wir haben die bürokratischste Aufsichtslandschaft in Europa. Die Balance des dualen Rundfunksystems hat gelitten, denn ARD und ZDF haben sich zulasten der anderen Anbieter fast ungehindert im Internet ausgedehnt. Außerdem haben wir es in sträflicher Weise unterlassen, den Rechtsrahmen für Internetserviceanbieter zu reformieren.
Am 10. Juli hat der ZDF-Verwaltungsrat getagt und wieder nicht über die Zukunft von Chefredakteur Nikolaus Brender entschieden. Wie kann hier Klarheit geschaffen werden?
Die Politiker, die Herrn Brender gerne ablösen möchten und durch einen ihrer Politik näheren Journalisten ersetzen wollen, versuchen, die Sache auszusitzen. Wir brauchen öffentlichen Druck, damit dieses Konzept nicht aufgeht und um Schaden von Herrn Brender und dem Ansehen des ZDF abzuwenden. Deshalb kann ich nur hoffen, dass man bald zu einer überzeugenden Lösung kommt.
Die Piratenpartei erfährt zurzeit einen gewissen Auftrieb, etwa mit der Forderung nach der Abschaffung des Urheberrechts. Die Grünen fordern eine Kulturflatrate, mit der pauschal Urheberrechte im Internet beim Tausch von Musik- und Filmdateien abgegolten werden sollen. Ist das der richtige Weg?
Klar ist, dass man geistiges Eigentum genauso schützen muss wie materielles Eigentum. Sonst wird es in Zukunft weniger kulturelle Vielfalt geben. Eine Kulturflatrate aber ist im Grunde nichts anderes als eine Entmachtung von Kreativen, denn sie müssten allen Nutzungen im Internet pauschal zustimmen. Meiner Meinung nach ist das Sozialismus im Internet. Wir müssen dagegen das individuelle Urheberrecht stärken.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welches Projekt würden Sie in der kommenden Legislaturperiode im Kulturausschuss als erstes anpacken?
Meiner Meinung nach haben wir den größten Reformbedarf bei Medien- und Kommunikationspolitik. Deswegen wünsche ich mir eine konsequente, der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung entsprechende Reform unserer Medien- und Telekommunikationsordnung. Das würde zigtausende neue Arbeitsplätze schaffen, Deutschland wettbewerbsfähig machen und zur publizistischen Vielfalt beitragen. Natürlich geht das nur in Zusammenarbeit mit den Ländern, die ja für Medienpolitik hauptsächlich zuständig sind.
Das Gespräch führte Sandra Ketterer.