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Für ein stärkeres Engagement beim zivilen Aufbau Afghanistans plädiert die SPD-Bundestagsabgeordnete Doris Barnett, die neue Leiterin der Bundestagsdelegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Lage am Hindukusch gehört zu den zentralen Themen der neunten Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung, zu der 320 Abgeordnete aus 55 OSZE-Mitgliedsländern am 18. und 19. Februar 2010 in Wien zusammenkommen. Der Bundestag ist mit acht Abgeordneten in Wien vertreten. Barnett kündigt im Interview an, dass die deutschen Volksvertreter die Frage einer europäischen Sicherheitsarchitektur zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit bei der OSZE machen wollen.
Anders als etwa das Abgeordnetenhaus des Europarats spielt die Parlamentarische Versammlung der OSZE in der öffentlichen Diskussion und in den Medien kaum eine Rolle. Wie kommt das?
Das sehe ich nicht so. Es mag schon sein, dass einzelne Initiativen des Europarats wie etwa der Marty-Bericht zu den geheimen CIA-Flügen mit Terrorverdächtigen für dicke Schlagzeilen sorgen. Derart spektakulär mutet die Arbeit der OSZE vielleicht nicht immer an, sollte in ihrer politischen Tragweite aber nicht unterschätzt werden. Ein Glanzstück der OSZE sind beispielsweise die Wahlbeobachtungen in vielen Ländern, bei diesem Thema ist die Organisation sehr engagiert und trägt so ganz wesentlich dazu bei, demokratische Wahlen zu gewährleisten. Zu nennen sind auch andere Aktivitäten wie die Berichte der OSZE-Parlamentarier zum Menschenhandel. Grundsätzlich ist es ein ambitioniertes Unterfangen, wenn Delegierte aus den Volksvertretungen von immerhin 55 Staaten zusammenkommen und ihre gemeinsam beschlossenen Initiativen in ihre heimischen Abgeordnetenhäuser tragen.
Können die OSZE-Parlamentarier auf die Politik ihrer Organisation konkret Einfluss nehmen?
Das ist etwa bei Menschenrechtsfragen und speziell beim Thema Antisemitismus ohne Zweifel der Fall. Nennen will ich besonders die Antisemitismus-Konferenz der OSZE, die auf Initiative des SPD-Bundestagsabgeordneten Gert Weisskirchen in der vergangenen Legislaturperiode im Berliner Reichstag ausgerichtet wurde und auf ein großes öffentliches Echo stieß. Viel hängt natürlich davon ab, wie nachdrücklich sich die OSZE-Parlamentarier in ihren heimischen Volksvertretungen und gegenüber ihren nationalen Regierungen zur Geltung bringen.
Findet die Arbeit der deutschen OSZE-Abgeordneten im Bundestag die nötige Resonanz? Oder werden die Ergebnisse dieser Tätigkeit vielleicht in den Akten der Fachausschüsse deponiert?
Einfach abgelegt werden die OSZE-Initiativen in diesen Gremien nicht, aber natürlich findet die Aufarbeitung der OSZE-Politik in erster Linie in den Fachausschüssen statt, vor allem bei den Außenpolitikern. Indes debattiert der Bundestag auch stets im Plenum über die Resultate der Jahrestagung des OSZE-Parlaments. Letztlich kommt es immer darauf an, wie energisch OSZE-Aktivitäten hierzulande in parlamentarische Initiativen umgesetzt werden.
In Wien nimmt die neue Bundestagsdelegation ihre Arbeit auf. Welche Schwerpunkte haben Sie sich für die nächsten vier Jahre gesetzt?
Die Frage einer europäischen Sicherheitsarchitektur, wozu nicht zuletzt die Einbindung Russlands in ein solches System gehört, zählt auf jeden Fall zu den zentralen Themen, denen wir uns in der Volksvertretung der OSZE widmen werden. Einen entsprechenden Vorstoß des CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann hat die Delegation bereits aufgegriffen.
Ein Thema mit politischem Sprengstoff wird in Wien die Lage in Afghanistan sein. Welche Rolle spielt die OSZE eigentlich am Hindukusch? Das scheint doch eher eine Angelegenheit der NATO, der UNO und besonders der USA zu sein.
Die OSZE mischt als Organisation selbst in Afghanistan nicht direkt mit. Aber die OSZE-Parlamentarier können die Beschlüsse ihrer Versammlung zu Hause in die nationale Politik einspeisen und diese entsprechend beeinflussen.
Worum geht es denn dem OSZE-Abgeordnetenhaus in Afghanistan konkret?
Was im einzelnen in Wien debattiert werden wird, wird sich vor Ort ergeben. Aus meiner Sicht ist es in erster Linie darum zu tun, am Hindukusch mehr Gewicht auf den zivilen Aufbau des Landes zu legen. Auch in die Ausgestaltung eines demokratischen Wahlsystems kann die OSZE ihre unbestrittene Kompetenz einbringen. Nennen will ich zudem die Frauenrechte. Inwieweit wir in Wien auch militärische Aspekte erörtern, muss sich zeigen.
Bleibt es in Wien bei einem Meinungsaustausch? Oder soll die Debatte in konkrete Forderungen münden?
Bei der vor uns liegenden Tagung wird sich zunächst einmal eine Versammlung treffen, deren Mitglieder zum großen Teil neu gewählt sind. Und diese werden entscheiden, welches die Themen auf der Jahrestagung im Juli in Oslo sein werden. Dort werden dann auch Berichte und Resolutionen verabschiedet. Ich habe mir vorgenommen, dass wir als deutsche Delegation die künftige europäische Sicherheitsarchitektur auf die Tagesordnung bekommen.