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Vier Tage vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen hat der Bundestag am Donnerstag, 3. Dezember 2009, über vier Anträge von Koalition und Opposition zum Klimaschutz entschieden. Während die von Union und FDP eingebrachte Vorlage mit den Stimmen der Koalition angenommen wurde ( 17/100), scheiterten die Anträge von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei der Abstimmung im Plenum ( 17/105, 17/115, 17/120).
Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) sagte in der 90-minütigen Debatte, die der Abstimmung vorausging, angesichts der dramatischen Folgen des Klimawandels sei die Welt in Kopenhagen "zum Erfolg verpflichtet". Die Opposition kritisierte jedoch, die Bundesregierung verharre bei "schönen Worten" und bloßen Ankündigungen. Dabei seien konkreten Zusagen notwendig, etwa an die Adresse der Schwellen- und Entwicklungsländer, die finanziell und technologisch beim Klimaschutz unterstützt werden müssten.
Röttgen betonte als erster Redner, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen gehe es um die "Art, wie wir leben, überleben und wirtschaften - und auch um Sicherheit". Daher müsse die Konferenz ein Erfolg werden. Für Europa sei der Gipfel zudem eine Chance, "zu zeigen, was Europa im Bereich des Klimaschutzes kann".
Dass die USA bislang nur angekündigt hatten, ihre Abgase im Vergleich zu 2005 um 17 Prozent bis 2020 zu reduzieren, nannte Röttgen "weniger als erwartet". Dennoch brachte der Umweltminister auch Verständnis für die USA auf: Präsident Barack Obama könne nicht "acht Jahre Bush-Administration rückgängig" machen, in der der Klimaschutz keine Rolle gespielt habe.
Grundsätzlich dürfe man nicht vor den Kosten zurückschrecken, die der Klimaschutz verursache. Klimaschutz sei kein Gegensatz zur Wirtschaft, sondern ein Strukturwandel und Modernisierungsprozess. In diesem Sinne sei der Weltgipfel in Kopenhagen "die wichtigste Wirtschaftskonferenz".
Dr. Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionsvorsitzender, erinnerte daran, dass es den Vorgängerregierungen, an denen seine Fraktion beteiligt war, zu verdanken sei, dass Deutschland überhaupt Vorreiter im Klimaschutz geworden sei. Politische Entscheidungen wie die Ökosteuer, der Atomausstieg oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz seien von der Union früher zwar bekämpft worden, bildeten aber die Grundlage für den heutigen Erfolg.
In Kopenhagen stehe nun Deutschlands klimapolitische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. "Verspielen Sie die nicht", mahnte Steinmeier und forderte, die Bundesregierung müsse endlich "konkret" zeigen, wie ernst es ihr mit dem Klimaschutz sei. Ein "grünen Anstrich" reiche nicht.
Die Bundesregierung müsse konsequent in den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien investieren. Stattdessen aber werfe sie mit "lächerlichen Steuergeschenken" an die Hotellerie das Geld aus dem Fenster: "Das ist Verschwendung", kritisierte Steinmeier.
Michael Kauch, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, wies diesen Vorwurf zurück: Mit dem im Koalitionsantrag beschriebenen Ziel, 40 Prozent der Kohlendioxidemissionen in Deutschland zu reduzieren, setze die Koalition ein "deutliches Signal". "Das ist mehr als je eine Fraktion beantragt hat", bekräftigte Kauch.
Zudem wolle die Koalition den Emissionshandel als "zentrales Instrument" künftig zu einem "globalen Kohlenstoffmarkt" ausbauen. Außerdem stünden FDP und Union zur Verantwortung gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländern, die bisher weniger zum Klimawandel beigetragen hätten, aber von den Folgen ungleich stärker betroffen seien.
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) wolle daher auch beim Schutz der Regenwälder "stärkere Akzente" setzen, sagte Kauch und mahnte, dass auch die Schwellenländer "bald mehr Verantwortung tragen" müssten. Dass sich China, Brasilien und Indien nicht zum "Zwei-Grad-Ziel" bekennen, eine Erderwärmung um höchstens zwei Grad zuzulassen, sei "schlecht" und müsse in Kopenhagen thematisiert werden.
Eva Bulling-Schröter, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte, dass trotz der alarmierenden Berichte über den immer schneller voranschreitenden Klimawandel die "maßgeblichen Verantwortlichen" in einer "Mischung aus Trägheit, Opportunismus und Klientelpolitik" nichts täten.
"Uns läuft aber die Zeit davon", sagte Bulling-Schröter und appellierte an die Regierung, sich dafür einzusetzen, dass in Kopenhagen "wenigstens das "Zwei-Grad-Ziel" ernst genommen werde. Was die deutsche Politik angeht, monierte die Abgeordnete, dass die Bundesregierung zu lang ihre Priorität auf "Auto, Kohle und Großkonzerne" gelegt habe. "Und Sie tun es immer noch!"
Die Erfolge im Bereich der erneuerbaren Energien könnten das nicht wettmachen. Bulling-Schrter forderte die Bundesregierung auf, den Strukturwandel sowie einen Ausbau von Bahn und Nahverkehr schnell stärker zu fördern: "Wir brauchen mehr Mobilität jenseits des Autos bis zur Mitte des Jahrhunderts!"
Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, griff Bundesumweltminister Röttgen scharf an: "Sie haben schön geredet, aber bei Ihrer Rede war kein Fleisch am Knochen." Eine erfolgreiche Konferenz in Kopenhagen könne es nur geben, wenn die "historischen Verursacher" des Klimawandels in Vorleistung gingen.
Die Bundesregierung aber lasse es an konkreten Zusagen fehlen, monierte Künast. Röttgen bleibe stattdessen der alten Strategie des "Verhandlungsmikados" treu: Wer sich bewegt, hat verloren. Daher wolle man keine konkreten finanziellen Zusagen an die Entwicklungs- und Schwellenländer geben, versuche diese Kosten dagegen "trickreich" im Entwicklungshilfeetat unterzubringen, damit man nicht mehr ausgeben müsse, so die Grünen-Politikerin.
Außerdem vermisse sie konkrete Pläne, wie Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen wolle. Um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, müsse man eine "andere Wirtschaftsweise wirklich bauen wollen" und nicht in alten Strukturen hängenbleiben.
Dr. Christian Ruck, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, fasste zusammen, welche Eckpunkte eine Vereinbarung in Kopenhagen umfassen solle: So müsse vor allem das "Zwei-Grad-Ziel" anerkannt und Mindestziele der Reduzierung für die Industrieländer und ausreichende Beiträge der Entwicklungsländer gesteckt werden.
Zudem brauche man Hilfszusagen der Industrie- an die Schwellenländer sowie transparente und effektive Überwachungsmechanismen. Das Ziel der Bundesregierung, 40 Prozent der Emissionen bis 2020 einzusparen, nannte Ruck "ehrgeizig" und mahnte Unterstützung dafür an: "Dahinter sollte eigentlich das ganze Haus stehen!"
Auch Ruck stellte heraus, dass der Klimaschutz nicht nur Kosten bedeute, sondern auch Chancen: "Gebäudesanierungen, Elektromobilität und Solarkraft" seien ein "Quantensprung für die deutsche Volkswirtschaft und qualitatives Wachstum", so der CSU-Politiker.