Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2009 > 16.12.2009: Atalanta
Die Bundesregierung will den Antipiraterie-Einsatz der deutschen Marine im Rahmen der EU-Operation "Atalanta" vor der Küste Somalias um ein weiteres Jahr verlängern. Bei der 30-minütigen Debatte über den entsprechenden Antrag ( 17/179) am Mittwoch, 16. Dezember 2009, zeichnete sich im Bundestag für dieses Vorhaben eine breite Zustimmung ab. Neben Vertretern der Koalitionsfraktionen sprachen sich auch Redner von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dafür aus, dass Bundeswehrsoldaten weiterhin an der Mission am Horn von Afrika teilnehmen sollen. Nur die Linksfraktion kritisierte den Einsatz als "sinnlos“ und forderte stattdessen, die Ursachen der Piraterie - wie etwa die Überfischung der Gewässer durch internationale Fangflotten - zu bekämpfen. Der Auswärtige Ausschuss hat dem Antrag am 16. Dezember zugestimmt ( 17/274).
Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) begründete im Plenum den Antrag der Bundesregierung: Die Beteiligung an der EU-Mission sei "die einzige Möglichkeit“, die Schifffahrt vor Piraten zu schützen, daher halte es die Bundesregierung für "sinnvoll, den Einsatz nahezu unverändert fortzusetzen“.
Dabei gehe es nicht nur um den Schutz der Handelsschifffahrt, sondern auch um "humanitäre Hilfe“, betonte der Außenminister. Dank der militärischen Präsenz sei es gelungen, dass alle Schiffe des Welternährungsprogramms im vergangenen Jahr ihre somalischen Zielhäfen erreicht hätten: "Das ist ein bemerkenswerter Erfolg!“
Einwände der Linksfraktion, die moniert hatte, die Regierung vernachlässige die Ursachen der Piraterie, wies Westerwelle dabei zurück: Der Zusammenbruch des somalischen Staates habe rechtsfreie Räume entstehen lassen, die zu viel "Platz für Kriminalität“ gelassen hätten, so Westerwelle. Deshalb unterstütze die deutsche Regierung Somalia auch beim Wiederaufbau. Die Mission "Atalanta“ sei "eingebettet in politische Konzepte: "Wer behauptet, es sei nur eine militärische Lösung, der liegt falsch.“ Der Einsatz sei "politisch ebenso wie ethisch-moralisch richtig“.
"Für internationales Fischereiabkommen einsetzen"
Günter Gloser (SPD) betonte, die internationale Gemeinschaft setze sich zu Recht gegen die Attacken der Piraten zur Wehr. „Die SPD wird daher dem Antrag zustimmen.“ Dennoch gebe es Probleme: Die Piraten wichen zunehmend auf andere Gebiete aus. Daher sei zwar inzwischen der Bereich, der von europäischen Schiffen kontrolliert werden solle, erweitert worden. „Es kann aber nicht wirklich überwacht werden, weil er zu groß ist. Die Schiffe gehen immer noch ein Risiko ein“, gab Gloser zu bedenken.
Der Überfischung der Gewässer, die vielen somalischen Fischern ihre Existenzgrundlage entzogen habe, maß er eine große Bedeutung zu: Vielen bliebe "nichts anderes übrig“ als sich krimineller Mittel zu bedienen. Gloser forderte die Bundesregierung daher auf, sich für ein internationales Fischereiabkommen einzusetzen.
Zudem kritisierte der SPD-Politiker, der Antrag enthalte keine überprüfbaren Zielvorgaben und keine transparenten Berichterstatterpflichten: "Wie sollen wir überprüfen, ob der Auftrag erfolgreich ausgeführt wird?“
"Einsatz liegt auch in deutschem Interesse"
Thomas Kossendey (CDU/CSU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, lobte den bisherigen Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika: "Die Bilanz kann sich sehen lassen.“ 69 Schiffe der Welternährungsorganisation mit 300.000 Tonnen Lebensmitteln seien in Somalia angekommen. Damit seien 3,5 Millionen Menschen versorgt worden. "Das ist ein zutiefst humaner Aspekt dieser Mission“, sagte Kossendey.
Darüber hinaus sei der Marineeinsatz auch für den "Exportweltmeister Deutschland mit der drittgrößten Handelsflotte der Welt“ von elementarem Interesse. Der CDU-Politiker stellte jedoch noch einen anderen Aspekt der Atalanta-Mission heraus: Deren Ziel habe einen "verbindenden Charakter über die EU-Ebene hinaus“.
Über die gemeinsame Aufgabe wachse das Bewusstsein für Zusammenarbeit, so der Staatsekretär. Allerdings, gab Kossendey zu, dürfe man von dem Antpiraterie-Einsatz keine "Wunder erwarten“. Die zu überwachende Fläche sei fünfzehn Mal so groß wie die Deutschlands. Die europäischen Soldaten könnten dort allenfalls ein Symptom bekämpfen. Daher sei es richtig, dass die Marine nun erstmals auch die somalischen Behörden bei der Überwachung der Fischereiaktivitäten unterstützen werde, sagte Kossendey.
"Militäreinsatz ist unangemessen"
Niema Movassat (Die Linke) kritisierte den Bundeswehreinsatz vor der somalischen Küste als "sinnlos“. Die Angriffe der Piraten nähmen trotz Militärpräsenz zu, würden sogar noch gewaltsamer, argumentierte der Abgeordnete. Statt Geld in den Militäreinsatz zu stecken, solle die Bundesregierung lieber die Ursachen der Piraterie bekämpfen: "Wenn Sie etwas tun wollen, dann tun Sie etwas gegen die Raubfischerei“, forderte Movassat.
"Die Überfischung durch den internationalen Fischfang und die Verklappung von Giftmüll sind doch der wahre Auslöser für die Piraterie“, sagte er. Dies habe den Menschen die Lebensgrundlage entzogen. Gäbe man sie ihnen wieder, etwa durch eine Regeneration der Gewässer, werde auch die Piraterie zurückgehen, so Movassat. Ein Militäreinsatz aber sei unangemessen.
"Strafverfolgung von Piraten regeln"
Omid Nouripour (Bündnis 90/ Die Grünen) signalisierte die Unterstützung seiner Fraktion für die Fortsetzung des Atalanta-Mandats. Defizite sah der Abgeordnete jedoch vor allem bei der Strafverfolgung der Piraten. Diese müsse zweifelsfrei gewährleistet werden. Bislang sei noch nicht klar genug geregelt, was eigentlich mit den Piraten passiere, die die Soldaten am Horn von Afrika festsetzten, kritisierte Nouripour.
"Und sie haben auch keine Lösung, wie ich sehe“, sagte der Grünen-Politiker in Richtung der Regierungsbank. Es sei aber anzustreben, dass die Festnahme von Piraten im nationalen Recht näher geregelt wird. Außerdem müsse die Einrichtung einer internationalen Gerichtsbarkeit für Piraterie vorangetrieben werden.