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In einer umfassenden Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 17. Dezember 2009, zur weltweiten Lage der Menschenrechte Stellung genommen. Den Abgeordneten lagen insgesamt sieben Anträge aller Fraktionen zur Beratung vor. CDU/CSU und FDP setzen sich für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe und für ein universelles Folterverbot ein. "Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grund, der die Todesstrafe rechtfertigt“, heißt es in ihrem Antrag ( 17/257). Außerdem fordern sie die Bundesregierung auf, allen Beschränkungen von Presse- und Meinungsfreiheit entgegenzutreten und sich für den Kampf gegen Kinderarbeit einzusetzen.
Abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP wurden der Antrag der SPD, Menschenrechte als entwicklungspolitische Querschnittsaufgabe zu verankern ( 17/107,17/272), und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die sich für eine Stärkung der Menschenrechte in Sri Lanka ( 17/124,17/273) einsetzten. Mit allen anderen Anträgen wollen sich die Ausschüsse befassen.
Der SPD-Menschenrechtsexperte Christoph Strässer hielt dem Koalitionsantrag vor, dass darin konkrete Schritte für eine Verbesserung der Menschenrechtslage fehlten. Größtes Manko sei, dass die Frage der Innenpolitik komplett ausgeblendet werde. Strässer kritisierte, dass sich der Menschenrechtsausschuss nicht auf eine gemeinsame Erklärung für die marokkanische Menschenrechtsaktivistin Aminatu Haidar habe verständigen können.
CDU/CSU und FDP warf er vor, sich gegen solch ein Papier gewandt zu haben. „Frau Haidar steht kurz vor dem Tod“, sagte Strässer. Es sei die Pflicht des Bundestages, sich jetzt mit ihr zu solidarisieren. Haidar befindet sich seit einem Monat im Hungerstreik, weil ihr Marokko die Einreise verweigert. Sie wurde vor kurzem geschwächt in ein Krankenhaus eingewiesen.
Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen), verlangte von der EU, dass der viel diskutierte Politikwechsel mit Kuba nicht zulasten der Menschenrechte gehen dürfe. Dort gebe es immer noch mindestens 20 politische Gefangene.
Koenigs verwies darauf, dass Menschenrechte wie Gesundheit und Bildung in Kuba im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas besser vertreten werden. "Das ist aber kein Freibrief oder eine Entschuldigung“, betonte Koenigs. Er forderte, dass Menschenrechte integraler Bestandteil aller bi- und multilateralen Abkommen sein müssten.
Bündnis 90/Die Grünen zeigen sich in ihrem Antrag ( 17/157) besorgt über zunehmenden Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika und verlangen von der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine konsequente Menschenrechtspolitik einzusetzen.
Ulla Jelpke (Die Linke) forderte die Bundesregierung auf, die Abschiebung von Menschen nach Syrien unverzüglich zu stoppen und das Deutsch-Syrische Rücknahmeabkommen auszusetzen ( 17/237). Sie verwies darauf, dass von der Abschiebung etwa 8.350 Menschen aus Syrien ohne Aufenthaltsstatus und rund 3.000 Staatenlose bedroht seien.
Jelpke sagte, der Bundesregierung sei durchaus bekannt, dass es massive Menschenrechtsverletzungen und Folter in Syrien gebe. Die Linke hat darüber hinaus beantragt, die Regierung solle sich dafür einsetzen, das die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal in den USA verhindert wird. ( 17/236).
Ähnlich argumentierte der der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Er sagte, mit dem Abkommen würde sich Deutschland zum "Helfershelfer der Schergen“ in den syrischen Gefängnissen machen, in denen Menschen gefoltert und religiöse Minderheiten unterdrückt würden. Bündnis 90/Die Grünen fordern in einem eigenen Antrag, das Rückübernahmeabkommen auszusetzen ( 17/68).
Der CSU-Abgeordnete Michael Frieser verwies in der Debatte darauf, dass es seiner Meinung nach keine Gründe dafür gebe, das Deutsch-Syrische Rücknahmeabkommen auszusetzen und gesetzeswidrige Einwanderung rückgängig zu machen. Die Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Fraktion, Erika Steinbach, wies darauf hin, dass die Abschiebung von Menschen aus Deutschland nicht im rechtsfreien Raum stattfinde.
Zum Thema Religionsfreiheit sagte Steinbach, dass in 50 von 200 Staaten weltweit christliche Minderheiten verfolgt würden. "80 Prozent aller Verfolgten sind Christen.“ Deshalb fordere sie, den weltweiten Einsatz für Menschenrechte fortzusetzen, aber mit besonderem Augenmerk auf Christen.
Weiterhin verwies Steinbach darauf, dass der Menschenhandel floriere. Auch Deutschland sei Zielland beispielsweise von Frauen, die zur Prostitution gezwungen würden. "Deshalb setzen wir uns für eine Bestrafung der Freier ein“, sagte Steinbach. Denn bei Zwangsprostitution ohne Nachfrage gebe es keinen Markt mehr.
Die FDP-Politikerin Marina Schuster unterstrich die Notwendigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes, der vor sieben Jahren eingerichtet worden war. "Das macht Mut, dass die Opfer Gerechtigkeit erfahren“, sagte sie. Schuster forderte die Regierungen auf, den Strafgerichtshof stärker politisch zu unterstützen. Es dürfe sich keine Kultur der Justizmüdigkeit breitmachen.
Der Bundestag will am Donnerstag, 17. Dezember 2009, in einer umfassenden Debatte zur weltweiten Menschenrechtssituation Stellung nehmen. CDU/CSU und FDP setzen sich in einem Antrag für die Abschaffung der Todesstrafe und für ein universelles Folterverbot ein. "Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grund, der die Todesstrafe rechtfertigt", heißt es in dem Antrag ( 17/257) für die 75-minütige Debatte ab etwa 14.40 Uhr. Außerdem fordern sie die Bundesregierung auf, allen Beschränkungen von Presse- und Meinungsfreiheit entgegenzutreten und sich für den Kampf gegen Kinderarbeit einzusetzen.
Bündnis 90/Die Grünen ( 17/157) zeigen sich besorgt über die zunehmende Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Lateinamerika und verlangen von der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine konsequente Menschenrechtspolitik einzusetzen.
Die SPD-Fraktion ( 17/107) will, dass Menschenrechte als entwicklungspolitische Querschnittsaufgabe verankert werden. Darüber sowie über einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die Menschenrechte in Sri Lanka zu stärken ( 17/124), wird der Bundestag am Donnerstag abstimmen. Der Menschenrechtsausschuss hat sowohl beim SPD-Antrag ( 17/272) als auch beim Antrag der Grünen ( 17/273) Ablehnung empfohlen.
Die übrigen Anträge, darunter ein Antrag der Linksfraktion ( 17/236), die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal in den USA zu verhindern und der Todesstrafe in den USA eine Absage zu erteilen, sollen zur weiteren Beratung an den Menschenrechtsausschuss des Bundestages überwiesen werden.
CDU/CSU und FDP weisen darauf hin, dass noch in 150 Staaten gefoltert werde. Zunehmend seien Kinder, Jugendliche und Frauen, aber auch Dissidenten, die im Gefängnis sitzen, Opfer von Gewalt. "All dies geschieht, obwohl die Folter völkerrechtlich in einer Vielzahl internationaler Abkommen verboten wurde", heißt es.
Auch die Terrorismusbekämpfung dürfe nicht als Vorwand dienen, um Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen. Geständnisse, die im Kampf gegen den Terror unter Folter gewonnen seien, dürften in deutschen Strafverfahren keine Anwendung finden, fordern die Koalitionsfraktionen. "Die Glaubwürdigkeit der westlichen Demokratien wird verspielt, wenn gültige Menschenrechtsstandards bei der Terrorismusbekämpfung außer Kraft gesetzt werden", schreiben sie.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, besonderes Augenmerk auf den Schutz von christlichen Minderheiten zu legen, da diese von religiösen Verfolgungen überproportional hart betroffen seien. Unternehmen sollten sich verpflichten, Menschenrechtsprinzipien zu achten und freiwillige Selbstverpflichtungen oder Zertifizierungsmaßnahmen vorzunehmen.
Die SPD beurteilt kritisch, dass besonders vor allem Außenhandels- und Außenwirtschaftspolitik menschenrechtliche Aspekte nicht ausreichend berücksichtige. Die Fraktion fordert deshalb die Bundesregierung auf, auch in der Privatwirtschaft strikt auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards und der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu achten.
Außerdem verlangt sie, dass der Menschenrechtsansatz in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit und institutionell bei der EU, den Vereinten Nationen sowie bei Handels- und Finanzinstitutionen verankert wird.
Bündnis 90/Die Grünen sehen in der EU-Ratspräsidentschaft Spaniens im nächsten Jahr eine besondere Chance, auf eine Stärkung der Menschenrechte in Lateinamerika zu dringen. Spanien habe sich vorgenommen, die laufenden Verhandlungen über Assoziierungs- und Handelsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas, den Staaten des Freihandelsabkommens MERCOSUR sowie mit Chile und Peru abzuschließen.
"Ziel dieser Verhandlungen müssen Abkommen sein, die klare Bekenntnisse zur Demokratie und zur Einhaltung der politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte enthalten", heißt es in dem Antrag.
Besonders besorgniserregend sei die Menschenrechtssituation in Kolumbien, Peru und Mexiko, schreiben Bündnis 90/Die Grünen. "Die kolumbianischen Sicherheitskräfte sind verantwortlich für Hunderte von außergerichtlichen Hinrichtungen und für Fälle des gewaltsamen Verschwindenlassens", heißt es in dem Antrag.
Die Fraktion verlangt von der EU, kein Handelsabkommen mit Kolumbien abzuschließen, das nicht ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten und Demokratie enthält.
Doch auch in anderen Ländern Lateinamerikas kommt es zu schweren Menschenrechtsverletzungen. So würden in Chile verstärkt die Rechte der Ureinwohner durch Landvertreibungen verletzt. In Kuba sei die Meinungs- und Pressefreiheit weiterhin massiv eingeschränkt. Auch in Venezuela nähmen Repressionen gegen Journalisten zu.
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen legen zudem Anträge zum deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommen vor. Die Linke will das Abkommen aufkündigen und Abschiebung von in Deutschland lebenden Syrern nach Syrien stoppen ( 17/237), die Grünen fordern die sofortige Aussetzung des Abkommens ( 17/68).