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Der Antrag der Linksfraktion, in Deutschland ab Mai 2011 einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen ( 17/4038), hat am Donnerstag, 16. Dezember 2010, im Bundestag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. Während die Koalition die Forderung ablehnt und der Linken vorwirft, immer wieder alte Themen aufzuwärmen, macht die Opposition Schwarz-Gelb für die soziale Spaltung des Landes verantwortlich. Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, sagte in seinem Beitrag, man müsse sich mittlerweile "Sorgen um die Lohnentwicklung in Deutschland“ machen. Die Regierung betreibe eine "Politik der Lohndrückerei“. Mit den Hartz-IV-Gesetzen sorge sie dafür, dass die Angst der Menschen vor Arbeitslosigkeit so groß sei, dass sie auch niedrigste Löhne akzeptierten.
Die Tatsache, dass es mittlerweile Branchen mit Tariflöhnen unter fünf Euro gebe, sei ein Anzeichen dafür, dass die Gewerkschaften nicht mehr in der Lage seien, in freien Verhandlungen Löhne durchzusetzen, von denen die Menschen leben könnten - hier müsse die Regierung handeln. Es sei "eine Frage der Würde“, dass das Einkommen von Arbeitnehmern mit Vollzeittätigkeit über dem Existenzminimum liegen müsse.
Es seien jedoch im Jahr 2009 rund elf Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt als sogenannte Aufstockerleistungen geflossen - damit erfolge eine "Subventionierung der Niedrigstlöhne“. Deutschland bewege sich mit seiner Lohnpolitik außerhalb dessen, was in anderen Staaten Europas gelte - dort hätten "selbst die Liberalen“ begriffen, dass man nicht nur Politik für "die Großkopferten“ machen könne, sondern eine, die "auch für normale Bürger gut“ sei.
Auch SPD und Grüne sprachen sich in der 90-minütigen Debatte für einen gesetzlichen Mindestlohn aus.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Hubertus Heil, sagte zwar, weder die "Holzhammer-Politik“ von rechts noch von links bringe etwas, schloss sich aber der Forderung der Linken an, Lohndumping über Mindestlöhne zu verhindern. Die Tarifautonomie in Deutschland habe sich zwar in der Vergangenheit bewährt, es gebe aber Branchen, in denen sie nicht mehr funktioniere.
Gesetzliche Mindestlöhne seien sowohl finanz- als auch wirtschafts- und sozialpolitisch sinnvoll und wirkten stabilisierend auf das Lohngefüge. Zudem vergrößerten sie die Einnahmebasis des Sozialstaats. Allein "die Borniertheit“ der Koalition stehe Mindestlöhnen entgegen; Schwarz-Gelb betreibe "die Spaltung im Land“.
Für die Fraktion Bündnis 90/die Grünen betonte deren arbeitsmarktpolitische Sprecherin Brigitte Pothmer, während die Union für "christliche Symbole in Schulen und Amtsstuben“ kämpfe, setzten sich die Grünen für christliche Werte ein. Die Politik der Union für Menschen "mit dicken Portemonnaies“ sei "nicht christlich“.
Zwei Millionen Menschen müssten in Deutschland für Stundenlöhne unter fünf Euro arbeiten; Deutschland werde damit zum Niedriglohnland. Die Koalition spiele Geringverdiener im eigenen Land gegen Dumpinglöhner aus Nachbarstaaten aus; dies sei "eine ganz miese Nummer“.
Die Koalitionsfraktionen argumentierten vehement gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. So sagte der Wirtschaftsexperte der CDU/CSU, Dr. Johann Wadephul, die Tarifautonomie, bei der Gewerkschaften und Arbeitnehmer die Löhne aushandelten, sei ein "Erfolgsmodell“ und werde von der Union unterstützt. Es mache "keinen Sinn, Mindestlöhne einzuführen, die durch die Produktion nicht unterstützt“ würden. Dies wäre nur branchenspezifisch sinnvoll - deshalb unterstütze man entsprechende Regelungen im Bereich der Zeitarbeit.
Viele Staaten hätten mit ihren Produkten auf dem deutschen Markt nur eine Chance, weil ihre Arbeitsentstehungskosten niedriger als in Deutschland seien; die Forderungen der Linksfraktion seien daher ein "zutiefst nationalistischer Ansatz“ und würden "die Abschottung des deutschen Marktes“ zur Folge haben. Wadephul forderte die Opposition zu mehr "Qualitätsarbeit“ auf; sie solle auch Anträge zu "anderen sozialpolitischen Themen“ stellen.
Für die FDP betonte der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Dr. Heinrich L. Kolb, gesetzliche Mindestlöhne würden vor allem in den neuen Bundesländern zu Schwierigkeiten führen, weil die Unternehmen sich diese nicht leisten könnten. Studien gingen davon aus, dass Mindestlöhne dort den Verlust von eineinhalb bis zwei Millionen Arbeitsplätzen zur Folge haben würden.
Zudem sagte er, 75 Prozent der sogenannten Hartz-IV-Aufstocker verdienten unter 800 Euro; dies liege aber nicht an zu geringen Stundenlöhnen, sondern an niedrigen Stundenzahlen. Wer über 800 Euro verdiene, dem helfe "auch ein Stundenlohn von zehn Euro nicht“: Ein alleinverdienender Familienvater mit zwei Kindern müsste zwölf bis 14 Euro pro Stunde verdienen, um "transferleistungsfrei“ sein zu können. Damit würde man "am Ende gesamtfiskalisch schlechter“ stehen als bisher. (suk)