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Kernenergie, Globalisierung, Gentechnologie - es sind stets Zukunftsfragen, mit denen sich Enquete-Kommissionen befassen. Mit diesen überfraktionellen, von Abgeordneten und Sachverständigen besetzten Arbeitsgruppen versucht das Parlament über den Tellerrand der Tagespolitik hinauszublicken und Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme zu finden. Gerade in Zeiten großen Reformbedarfs sind die Enquete-Kommissionen so zu einem wichtigen Instrument der Entscheidungsvorbereitung für den Bundestag geworden.
Noch vor 1990 ließ sich der Begriff "Globalisierung" in keinem Lexikon der Welt finden. Zehn Jahre später war er bereits zu einem Schlagwort mit höchster Medienwirksamkeit geworden. Er beschreibt zunächst den Prozess der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung. Heute gehören dazu aber auch die Internationalisierung der Medien und der Internet-Kommunikation, der Kultur und der Wissenschaft, die Ausbreitung des globalen Terrorismus, grenzüberschreitende ökologische Krisen oder Krankheiten.
"Globalisierung" ist auch ein Phänomen, das polarisiert: Während die einen die Chancen einer weltweiten Verflechtung betonen, verweisen andere auf ihre Schattenseiten: Weltweit formierten sich seit Ende der 1990er-Jahre Globalisierungskritiker zu einer Protestbewegung. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungskritikern und der Polizei anlässlich der WTO-Konferenz in Seattle Anfang Dezember 1999 führten zum Abbruch des Treffens der Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation. Auslöser für den Bundestag, sich mit dem Thema Globalisierung intensiver zu befassen.
Am 14. Dezember 1999, kaum zwei Wochen nach den Erignissen in Seattle, legten SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP einen fraktionsübergreifenden Antrag vor: Es solle eine Enquête-Kommission eingesetzt werden, um die Globalisierung und ihre Auswirkungen genauer zu beleuchten, hieß es darin. "Es geht im Kern darum, festzustellen, auf welchen Gebieten und mit welchen Mitteln dieser Prozess beeinflusst und gesteuert werden kann und soll." Ziel sei es, konkrete Handlungsfelder für Politik und Gesellschaft aufzeigen und Fehlentwicklungen entgegenzusteuern bzw. sie von vornherein zu vermeiden. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen, nur die PDS-Abgeordneten enthielten sich.
In der Bundestagsdebatte am 15. Dezember 1999, die der Abstimmung über die Enquete-Kommission vorausging, zeigte sich aber, dass auch die rot-grüne Koalition und die Oppositionsfraktionen durchaus unterschiedliche Vorstellungen hatten, welche Schwerpunkte das Gremium haben sollte. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) plädierte für eine "Zähmung des Marktes" und mehr Transparenz. Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betonte, Hauptaufgaben der Politik in Zeiten der Globalisierung seien insbesondere die Bekämpfung der Armut, die Einhaltung der Menschenrechte und der Einsatz für globale Umweltstandards. Und die FDP-Abgeordnete Gudrun Kopp warnte vor einer Überfrachtung der Kommission. Der Kompromiss-Antrag sei ein "Mammut-Werk" mit neun Themenbereichen und fünf Leitlinien. "Es stellt sich die Frage, ob wir das überhaupt leisten können", sagte Kopp und schlug vor, sich auf drei Schwerpunkte zu konzentrieren: Regeln für den Weltwirtschaftshandel und die internationalen Finanzmärkte sowie die Förderung des Mittelstands.
Tatsächlich stellte sich die Materie als vielschichtig dar: Die Kommission, deren 26 Mitglieder (davon 13 Parlamentarier und 13 Sachverständige) am 13. März 2000 ihre Arbeit aufnahmen, legte dennoch nach rund eineinhalb Jahren am 13. September 2001 einen Zwischenbericht vor. Er analysierte die Vor- und Nachteile der Globalisierung und empfahl als möglichen Weg der politischen Steuerung das Konzept der „Global Governance“ (Weltordnungspolitik).
Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte die Einleitung des SPD-Kommissionsvorsitzenden Ernst Ulrich von Weizsäckers (SPD) als "einseitig". Die Chancen der Globalisierung seien nicht hinreichend dargestellt worden, dagegen werde dem Wandel "generell mit omnipräsenten diffusen Vorbehalten" begegnet, schrieb der CDU-Abgeordnete Hartmut Schauerte in einem Minderheitenvotum, das Teil des Zwischenberichts war.
Diese Kritik zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte weitere Diskussion. Als der Bundestag am 28. Juni 2002 den Abschlussbericht der Enquête-Kommission debattierte, prallten die Positionen gerade in der Frage der Vor- und Nachteile der Globalisierung noch einmal aufeinander.
So betonte die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk, Wirtschaftsordnung und Weltfinanzsystem hätten "offenkundige Schwächen", die einer "Stabilisierung und Neuordnung" bedürften. Umso bedauerlicher sei es, kritisierte sie, dass CDU/CSU und FDP die "Globalisierung unkritisch als Motor und Katalysator verklärten".
Hartmut Schauerte (CDU/CSU) wies dies "als Zerrbild" zurück und stellte das Potenzial der Globalisierung in punkto Armutsbekämpfung oder Friedenssicherung heraus. "Wer die Probleme der Welt lösen will, kann auf Globalisierung nicht verzichten!"
Die PDS-Abgeordnete Ursula Lötzer monierte, FDP und CDU/CSU sängen das "Hohelied der Fähigkeiten des Marktes, alle Probleme zu lösen", ignorierten aber die "Realität der Verlierer". Gudrun Kopp (FDP) bekräftigte, dass Globalisierung Rahmenbedingungen brauche. Aber mit der "Ideologie eines Gutmenschentums" erreiche man nichts.