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Der Maler Rupprecht Geiger stand in einem der
Protokollräume vor der Herausforderung, sich allein mit der
Farbe gegen das bestimmende Blau der Holzpaneele behaupten zu
müssen, die zwei Drittel der Wandfläche einnehmen.
Während Karl-Georg Pfahler, der im Reichstag den Sitzungssaal
des Ältestenrates gestaltet hat, seine Farbobjekte über
die Fläche der Paneele ausgreifen lässt, drängt
Geiger die blauen Paneele mit der Vitalität seines leuchtend
orangegelben Frieses optisch in den Hintergrund.
Auch Rupprecht Geiger gehört zu jenen Künstlern, die
ihre eigene künstlerische Handschrift gegenüber der in
den 1950er-Jahren so mächtigen Zeitströmung des Informel
behaupteten. Bereits vor 1945 hatte er sich der Farbe als einem
"Grundelement der Malerei" zugewandt. Interessanterweise entdeckte
er die Elementarkraft der Farbe in der Natur, als er in Russland
seine ersten Landschaftsaquarelle anfertigte: "Das Farbenmeer (das
die reine kontinentale Luft dort hervorbringt), die Morgen- und
Abendstimmungen insbesondere, bei denen sich die
Himmelstönungen in einer unglaublichen Breitenausdehnung von
unten nach oben ziehen, waren vielleicht die bestimmenden,
nachwirkenden Erlebnisse." Aus diesen Erlebnissen erwuchsen seine
obsessiv betriebenen Studien zur Wirkkraft der Farbe, deren
Zielsetzung Geiger in dem Satz zusammenfasste: "Es geht mir um die
Farbe, nur um die Farbe und deren Erkennbarkeit." Für diese
Studien musste er allerdings die Farbe aus ihrer Gegenstände
beschreibenden Funktion lösen, damit sie als Farbe in ihrer
Eigenwertigkeit wahrgenommen werden kann.
In diesem Sinn hat Geiger konsequent alle Möglichkeiten
untersucht, die Farbe zu isolieren und "von diesen
äußeren Störungen fernzuhalten". Er experimentierte
mit der Gestalt der Leinwandbilder, die er sich nicht mehr als
rechteckiges Format vorgeben ließ, und passte sie an die
dargestellte Form auf der Leinwand an ("shaped canvas"). Geiger spielte unterschiedliche
Motivreihen von surrealen Landschaften bis zu abstrakten
Gestaltungen durch und gelangte schließlich zu den
Grundformen seiner Farbstudien, zu Rechteck, Kreis oder Oval: Er
war der Auffassung: "Die Vielfalt abstrakter Formen mit ihren oft
skurrilen Umgrenzungslinien lenkt von der Farbe ab, während
bei archetypischen Formen, wie Rechteck und Kreis, die Farbe
unbeeinflusst hervortreten kann". Ihre Erkennbarkeit als Form nimmt
er zudem durch die bewusste Verwendung der Spritztechnik
zurück.
Die Entmaterialisierung aller nicht farblichen Elemente steigert
Geiger zuletzt durch den Einsatz von Tagesfluoreszens-Farben. Sie
werden von ihm, weil sie in der Natur nicht vorkommen, als
"abstrakte Farben" wahrgenommen. So lösen sich die Farben
schließlich auch von der Materialität des
Bildträgers. Farbe ist nunmehr, wie im Bildfries des
Protokollraums im Reichstagsgebäude, nur noch ein
immaterieller, auf den Betrachter ausstrahlender
Farbraum.
geboren 1908 in München, lebt und arbeitet in München.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages