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In der Westeingangshalle wird der Besucher des
Reichstagsgebäudes von Arbeiten von Sigmar Polke und Gerhard
Richter empfangen. Beide Künstler standen vor der schwierigen
Aufgabe, sich mit ihren Werken gegen jeweils 30 Meter hohe
Wände zu behaupten. Gerhard Richter hat an der einen Wand der
Westeingangshalle ein Farbkunstwerk von 21 Meter Höhe und drei
Meter Breite in den Farben Schwarz-Rot-Gold gestaltet. Die Farben
wurden auf die Rückseite großer Glastafeln aufgetragen
und erinnern - nicht ohne Hintersinn - an die Farben der deutschen
Bundesflagge. Aber sowohl das hochrechteckige Format als auch die
spiegelnden Glasflächen (in denen sich von einem bestimmten
"point de vue" aus die reale Bundesflagge vor dem
Reichstagsgebäude spiegelt) machen deutlich, dass es sich
nicht um die Abbildung einer Flagge handelt, sondern um ein
autonomes Farbkunstwerk und der Künstler durch die Wahl und
die Zusammenstellung der Farben eine den Betrachter irritierende
"Wahrnehmungsfalle" aufgestellt hat.
Richter gelingt es, mit der auf die Wandproportionen
abgestimmten Größe seiner Arbeit und mit sparsamen
Mitteln ein farbiges Gegengewicht zur Dominanz der Architektur in
der Westeingangshalle zu schaffen und dem Auge des Betrachters
einen Ruhepunkt in der belebten Halle zu bieten. Trotz ihrer
Monumentalität fehlt der Arbeit jedes Pathos. Vielmehr
spiegelt die Fragilität der Glasscheiben im materiellen und im
übertragenen Sinne das stets gefährdete und daher stets
neu zu gestaltende und zu schützende demokratische Gemeinwesen
wider.
Gerhard Richter studierte zunächst an der Kunstakademie in
Dresden und siedelte 1961 in die Bundesrepublik Deutschland
über. Zusammen mit Konrad Lueg und Sigmar Polke trat er 1963
mit dem Happening einer "Demonstration für den
Kapitalistischen Realismus" öffentlich in Erscheinung, die
"erste Ausstellung deutscher Pop-Art", mit der er sich gegen die
vorherrschende abstrakte Malerei der Zeit wandte. Im Gegensatz zur
amerikanischen Pop-Malerei war seine Hinwendung zum Lebensalltag
allerdings von einer Stil und Bedeutungsinhalte infrage stellenden
Ironie gekennzeichnet. Zunächst ging er von zufällig
entdeckten Fotos oder Zeitungsausschnitten aus, die er,
schwarz-weiß und unscharf dargestellt, auf die Leinwand
übertrug. In der Folge vermied er jede stilistische Festlegung
und malte gleichermaßen virtuos Porträtbilder, abstrakte
Vergrößerungen von Malstrukturen, monochrome Graubilder,
Farbtafeln oder Landschaften bis hin zu Stillleben. Sein Werk
"Schwarz Rot Gold" weist auf die zentrale Thematik seines Schaffens
hin, die sich in der Vielfalt seiner Techniken und Motive immer
wieder spiegelt, nämlich auf die Fragestellung, was in der
Moderne Bildgegenstand sein kann und worüber eine
Verständigung zwischen Maler und Betrachter möglich
ist.
Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, lebt und arbeitet in Köln.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages