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Auch Emil Schumacher stand wie Georg Karl Pfahler und Rupprecht
Geiger vor der Herausforderung, sich gegen die dominierenden
Wandpaneele des Architekten durchzusetzen. Er stellte sich dieser
Herausforderung in einer der letzten Arbeiten vor seinem Tod, indem
er seine Malweise auf Aluminiumplatten zu furiosen,
expressionistisch-gestischen Ausdruckslinien steigerte. Dank ihrer
Transparenz und kühlen Eleganz scheint jedoch ihr furioser
Gestus mit virtuoser Beiläufigkeit gezügelt.
Für die Gestaltungen im zweiten Obergeschoss des
Reichstagsgebäudes wurden Künstler ausgewählt, die
sich mit der Farbe als eigenwertigem Ausdrucksträger
auseinandergesetzt haben. Da alle vier Künstler - Graubner,
Geiger, Pfahler und Schumacher - außergewöhnlich starke
Künstlerpersönlichkeiten sind, ist eine aufschlussreiche
Gegenüberstellung jeweils ganz eigener und eigenwilliger Wege
zur Erforschung der Ausdruckskraft der Farbe zustande gekommen. So
hat Schumacher im Unterschied zu Graubner, Pfahler und Geiger die
Farbe als Mittel einer expressiven gestischen
Entäußerung eingesetzt.
Als Mitglied der 1949 gegründeten Münchner Gruppe
"Zen" entwickelte er seine eigentümlich archaische
Bildsprache. In ihr verbinden sich sensibel gezeichnete
Liniengebilde, die die oft kalligrafische Gestik des Informel
brechen, mit mythischen Schriftzeichen. Diese Bildkürzel
erinnern entfernt an Höhlenmalereien. Sie werden
eingeschrieben in schrundige und pastose, geradezu reliefartig
gestaltete Malgründe, die wie von Lava geformte Urlandschaften
die Kräfte ursprünglicher Natur zu verkörpern
scheinen. Die außergewöhnliche Leistung Schumachers
besteht darin, diesem Stilprinzip gegen alle Zeitströmungen
und Moden treu geblieben zu sein, ohne dass jemals der Eindruck von
erlahmender Schöpferkraft oder gefälliger Wiederholung
entstand. Gerade durch ihre sperrige Sprödigkeit strahlen
seine Arbeiten eine so selbstbewusste Vitalität aus, sind so
selbstverständlich präsent, als ob sie Natur und nicht
Artefakte wären.
Die vierteilige Arbeit im Besprechungsraum vertraut auf die
Kraft ihrer Ausstrahlung und überspielt die Paneele.
Schumacher hat auf die für viele seiner sonstigen Gemälde
so charakteristischen Malkrusten verzichtet und stattdessen mit
Aluminiumplatten einen Untergrund gewählt, der - wie Papier -
nur den leichten Pinselauftrag ermöglicht und diesen durch
Lichtspiegelungen im Metall besonders transparent wirken
lässt. Eine vom ersten Bild aufsteigende und zum letzten hin
abfallende Linie verbindet den Fluss der Bilder über die vier
"Stationen". Kürzelhafte Bildzeichen deuten Tiere, Menschen
und Landschaft an. Was schon der Titel andeutet, erweist die
vergeistigte, durchscheinend gewordene Leichtigkeit des
Liniengefüges: Der vierteilige Zyklus ist das Resümee
eines reichen Künstlerlebens, ist das von seinem Altersstil
geprägte Vermächtnis Schumachers.
geboren 1912 in Hagen, gestorben 1999 auf Ibiza.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages