Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juli 2010 > Experten: Deutschland hängt im internationalen Vergleich bei Digitalisierung zurück
Berlin: (hib/HAU/BOB) Im weltweiten Vergleich hängt Deutschland im Bereich Internet und Internetwirtschaft zurück. Diese Ansicht vertraten mehrere Experten während einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission ”Internet und digitalisierte Gesellschaft“ am Montagnachmittag. Laut aktuellem Bericht des ”World Economic Forum“ sei Deutschland in diesem Bereich erneut zurück gefallen und liege nun auf Platz 16, sagte Marie-Thérèse Huppertz vom Software-Unternehmen SAP. Lars Hinrichs, Gründer des Netzwerkes Xing, verwies darauf, dass ganz Europa ”hinterher hinkt“. Unter den 100 meistaufgerufenen Internetseiten liege mit der BBC-Homepage lediglich eine europäische. Die erfolgreichste deutsche Seite, Spiegel-Online, finde sich sogar erst auf Platz 142. Aus Sicht des mittelständischen Internetunternehmers Peter Bisa sei man in Deutschland ”zu negativ bei der Evaluierung des Phänomens Internet“.
Hinrichs machte die negative Entwicklung auch an Datenschutz-Problemen fest. Datenschutz sei zwar wichtig, doch gerate man mit ”Formulierungen wie wir sie in Europa finden, noch weiter ins Hintertreffen“. Bei jeder Innovation müsse sofort die Frage gestellt werden, ob dies auch erlaubt sei, kritisierte Hinrichs und befand: ”Mit den derzeitigen Gesetzen haben wir keine Chance in der ,Champions League‘ mitzuspielen.“ Peter Bisa wiederum bewertete den deutschen Datenschutz als ”weltweit Spitze“. ”Die größere Sicherheit sollten wir auch hervorstellen, etwa unter dem Motto: ,Security made in Germany’“, forderte er. Er sprach in diesem Zusammenhang von ”großen Chancen für die deutsche Wirtschaft im Bereich Wachstum und Beschäftigungsentwicklung“.
Um dem IKT-Bereich (Informations- und Kommunikationstechnologien) am Standort Deutschland weitere Chancen zu geben, so die Anregung der SAP-Vertreterin Huppertz, müsse ebenso wie in den Ausbau der Infrastruktur auch in die Bildung und Forschung investiert werden. Das gelte besonders für die ”anwendungsnahen Bereiche“, um dort neue Märkte zu erschließen. Damit könne ”gar nicht früh genug begonnen werden“, sagte sie. ”Wir sollten das nicht den Universitäten überlassen.“
Das Thema ”Medienkompetenz“ beschäftigte auch den Medienwissenschaftler Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn. Es brauche eine derartige Wissensvermittlung an den Schulen, sagte er. Allerdings fehle es dazu an geeigneten Lehrern. ”Wir müssen an den Hochschulen endlich bessere Lehrer ausbilden“, lautet seine Forderung. Das dies derzeit nicht getan werde, liege am ”Föderalismus in der Bildung“. Um zu einer besseren Medienkompetenz zu gelangen brauche es nicht unbedingt ein eigenes Schulfach, sagte hingegen der Informatik-Professor Wolfgang Coy von der Berliner Humboldt-Universität. Gleichwohl müssten junge Menschen zu Datensparsamkeit erzogen werden und die Fähigkeit erwerben, Informationen im Netz zu finden und sie auch bewerten zu können.
In der Frage nach eventuellem Gesetzgebungsbedarf im Bereich des Internets forderte der Medienrechtler Thomas Hoeren: ”Machen Sie keine Gesetze!“ Selbstregulierung, so formuliert es Hoeren, sei immer der bessere Weg. Das hätten die ”katastrophalen“ Versuche mit dem Zugangserschwerungsgesetz, dem Fernabsatzrecht und dem Arbeitnehmerdatenschutz gezeigt, die nicht nur ”inhaltlich problematisch“ gewesen seien, sondern auch ”formal unbrauchbar. Diese Ansicht stützte auch der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen von der Universität Konstanz. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Gesetze nicht dazu führten, "mit Informationen in elektronischen Räumen angemessen umzugehen", sondern eher dazu "Verhinderungsstrategien aufzubauen". So seien etwa im Urheberrecht in den letzten "zehn, zwanzig Jahren" in katastrophaler Weise die Weichen zugunsten einer "Kommerzialisierung von Wissen" gestellt worden. Die eigentlich gebrauchten Freiräume seien hingegen immer weiter eingeschränkt worden.
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