Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Oktober 2010 > Historiker beleuchtet die Entscheidung für die Erkundung Gorlebens
Berlin: (hib/JR/) Bei der Zeugenvernehmung im 1. Untersuchungsausschuss hat der Historiker Dr. Anselm Tiggemann am Donnerstag Abend die Entscheidung von Bund und dem Land Niedersachsen für Gorleben als möglichen Standort für ein Endlager radioaktiven Abfalls als sachlich bezeichnet. ”Ein Kriterienkatalog wurde abgearbeitet“, sagte der 40-Jährige. ”Diese Entscheidung ist auf sachlicher Grundlage getroffen worden.“
Tiggemann hat über die Gorleben-Entscheidung in der Geschichtswissenschaft promoviert. Derzeit ist er bei Unionsfraktion im Bundestag beschäftigt. Der Erste Untersuchungsausschuss soll klären, ob es bei dem Beschluss der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager auf Gorleben zu beschränken, zur politischen Beeinflussung untersuchender Wissenschaftler gekommen ist.
”Für das Auswahlverfahren hat es eine naturwissenschaftliche Basis gegeben“, sagte Tiggemann. Dafür hätten die Kernbrennstoffwiederaufbereitungsgesellschaft mbH (KEWA) auf Bundesebene und der Interministerielle Arbeitskreis (IMAK) auf Landesebene gesorgt.
Dass über die dreißig Jahre alten Entscheidungsprozesse heute viel diskutiert werden, darüber zeigte sich der Historiker überrascht. ”Diese Fragen waren schon damals bekannt und wurden diskutiert.“ Allerdings hat Tiggemann im Lauf der Befragung Einschränkungen im Detail geliefert.
Besonders eine Kabinettsvorlage in Hannover vom 2. Februar 1977 stand dabei im Fokus. Der Historiker berichtete von Bedenken, die er in den Akten gefunden habe: Die habe es wegen Gasfunden auf der DDR-Seite, nur wenige Kilometer von Gorleben entfernt, gegeben. ”Es hieß dann, dass bei einer Entscheidung von Gorleben dieser Umstand weiter untersucht werden müsste“; Wissenschaftler hätten seinerzeit gewarnt, dass es bei Gasbohrungen zu Erdabsenkungen und gefährlichen Verschiebungen im Salzstock kommen könnte. Tiggemann räumte ein, das für die Wissenschaftler bei der Entscheidung ein enormer Zeitdruck geherrscht habe. ”Mir ist nicht bekannt, dass die Gas-Frage in weiteren Gutachten bearbeitet worden ist.“ Auch habe das Aktenstudium nicht ergeben, dass etwa DDR-Behörden seinerzeit wegen der Gasfunde und der resultierenden Risiken kontaktiert worden seien.
Auch fand Tiggemann ”bemerkenswert“, dass bestehende Dissense zwischen dem Land Niedersachsen und dem Bund auf der Arbeitsebene keine Rolle gespielt hätten: Der Bund favorisierte damals die Suche bei mehreren Standorten, während Niedersachsen in seinen Landesgrenzen nur an einem Platz erkunden lassen wollte. ”Man wollte die Öffentlichkeitsarbeit auf einen Standort konzentrieren“, sagte Tiggemann. Auch habe der teurere Sicherheitsaufwand für mehrere Standorte eine Rolle gespielt. Tiggemann: ”Das war ausschlaggebend für den Ratschlag in der Kabinettsvorlage und ein Ausdruck politischen Willens, nur einen Standort zu benennen.“
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