Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2009 > Interview Fahrenschon
Die CSU will sich noch nicht auf eine Steuerreform in dieser Legislaturperiode festlegen. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon sagte in einem Gespräch mit der Wochenzeitung "Das Parlament" vom 16. November 2009, die Dinge müssten schrittweise angegangen werden. "Es gilt jetzt, die Steuerschätzung im Mai 2010, die eine längerfristige Perspektive beinhaltet, und auch die wirtschaftliche Entwicklung Mitte des nächsten Jahres abzuwarten." Für die CSU stünden Bürokratieabbau und Steuervereinfachung im Vordergrund. "Alle anderen Maßnahmen können erst im Lichte der Zahlen im Sommer des nächsten Jahres betrachtet werden", sagte Fahrenschon. Das Interview im Wortlaut:
Warum gibt es überhaupt ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz,
wenn es nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Steigerung
des Wachstums "so gut wie nichts beitragen wird"?
Über steuerliche Anreize werden Wachstumspotenziale entfesselt. Wir haben den richtigen Ansatz. Krisenverschärfende Elemente im Unternehmenssteuerrecht müssen schnellstmöglich beseitigt werden. Weitere Behinderungen der Unternehmen würden das Wachstum erschweren. Und: Die Stabilisierung der Binnenkonjunktur funktioniert am besten über eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger - insbesondere der Familien mit Kindern.
Aber laut Statistischem Bundesamt erholt sich die deutsche Wirtschaft schneller als erwartet. Wenn die Pferde schon alleine anfangen zu saufen, muss man doch nicht mehr nachhelfen.
Die Wachstumszahlen sind zwölf Monate nach dem Stillstand der Weltwirtschaft auf dem Weg zum Besseren. Aber wir sind noch lange nicht über den Berg. Wir müssen daher mit klugen und besonnenen Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass der Exportweltmeister Deutschland im internationalen Standortwettbewerb nach dieser Weltwirtschaftskrise nicht als Verlierer vom Platz geht. Daher müssen für Menschen und Unternehmen in Deutschland bessere Perspektiven geschaffen werden.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei reine Klientelpolitik, geißelt die Opposition die Pläne der Regierung. Ist eine Kindergelderhöhung Klientelpolitik?
Politik für Familien und Kinder ist alles andere als Klientelpolitik. Familien und Kinder sind die Basis unserer Gesellschaft. Deshalb sollte sich jeder gut überlegen, solche Vorwürfe zu erheben. Der Ansatz, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu erhöhen, ist konkrete Familien- und Wirtschaftspolitik. Diejenigen, die unsere Gesellschaft tragen, werden besser unterstützt.
Warum dann ausgerechnet eine Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen? Man hätte auch Kinderkleidung nehmen können.
Die Absenkung des Umsatzsteuersatzes bei Beherbergungsleistungen kann nicht isoliert betrachtet werden. Die Koalition von Union und FDP hat sich vorgenommen, das komplette System der "normalen" und ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf den Prüfstand zu stellen. Hier hat es in vier Jahrzehnten viele Entwicklungen gegeben, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Andererseits ist festzustellen, dass der damalige SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine europarechtliche Regelung mitgetragen hat, sodass jetzt in den meisten Nachbarstaaten Deutschlands Beherbergungsleistungen mit einem ermäßigten Satz besteuert werden. Diesen Wettbewerbsnachteil der deutschen Hotellerie wollen wir umgehend beseitigen.
Noch einmal zum Vorwurf der Klientelpolitik: Die dauerhafte Einführung einer Zinsschranke bei der Unternehmensteuerreform und andere Maßnahmen bedeuten nach Ansicht der Opposition nur, dass Unternehmen Gewinne leichter ins Ausland schaffen und weniger Steuer zahlen müssen. Kann sich der Staat diese Einnahmeausfälle leisten?
Fakt ist doch: Wir können uns kein Unternehmenssteuerrecht leisten, das die Krise verschärft. Und Fakt ist auch, dass wir uns kein Unternehmenssteuerrecht leisten können, das in Umstrukturierungs- und Sanierungsfällen zusätzlich Vermögen vernichtet. Deshalb nehmen wir Veränderungen bei der Zinsschranke und Verlustverrechnung vor. Es müssen jetzt Bremsen gelöst werden, damit es zu mehr Wachstum kommt und Beschäftigung gesichert werden kann.
Sind Sie mit den Korrekturen an der Erbschaftsteuerreform mit Blick auf die Situation des deutschen Mittelstands zufrieden?
Wir haben uns mit der FDP darauf verständigt, die noch von der Großen Koalition beschlossenen Lohnsummenregelungen abzusenken und die Behaltensfristen zu verkürzen. Das ist ein wichtiges Signal. Wir stehen in weiten Teilen des deutschen Mittelstandes vor einem Generationenwechsel. Es gibt Untersuchungen, wonach in Bayern ein Viertel der inhabergeführten Betriebe in den nächsten zehn Jahren vor einem Generationenwechsel steht. Diesen Prozess müssen wir vernünftig begleiten.
Warum wollen Sie eigentlich bei der Erbschaftsteuer Geschwister und Neffen bevorzugen?
Geschwister, Nichten und Neffen mit Fremden gleichzustellen, war der Bruch einer über 100-jährigen Tradition und ein Zugeständnis an die Sozialdemokraten, die die Erbschaftsteuer immer als Neidsteuer betrachtet haben. Die Koalition von Union und FDP nimmt diese Tradition wieder auf. Es geht dabei auch um Dinge, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, zum Beispiel, wenn eine Tante ihren Neffen etwas vererben will, oder wenn Schwestern, die sich gegenseitig gepflegt haben, sich als Erben einsetzen. Das muss sich im Erbschaftsteuerrecht widerspiegeln.
Ist die von der CSU geforderte teilweise Regionalisierung von Erbschaftsteuerregelungen mit dieser Änderung der Reform vom Tisch?
Nein. Die Erbschaftsteuer steht den Ländern zu. Daher sollten die Länder auch das Recht erhalten, die unterschiedliche Wertentwicklung in Deutschland mit eigenen Freibeträgen und Steuersätzen auszugleichen. Das wäre auch eine Stärkung des föderalen Wettbewerbs. In der Koalitionsvereinbarung gibt es dafür einen Arbeitsauftrag.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll die bayerische Staatskasse mit 300 Millionen Euro belasten. Können Sie das verkraften?
Wir haben die Änderungen im Unternehmenssteuerrecht und die Entlastung der Familien ausdrücklich gewollt, um schneller aus der Krise zu kommen. Daher steht die Bayerische Staatsregierung zu den Plänen der Koalition der Mitte. Es bleibt trotz des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes unser Ziel für 2010, in Bayern einen allgemeinen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung aufzustellen. Wir wollen doch schnellstmöglich auf den Wachstumspfad zurück, auch um zu zusätzlichen Einnahmen zu kommen. 100.000 neue Arbeitsplätze bedeuten zwei Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen für die öffentliche Hand.
Im Koalitionsvertrag wird eine große Steuerreform angekündigt. Wird diese Reform in dieser Legislaturperiode realisiert werden können?
Die CSU und die Bayerische Staatsregierung stehen immer für eine Steuerpolitik mit Augenmaß und Vernunft. Die Dinge müssen schrittweise angegangen werden. Es gilt jetzt, die Steuerschätzung im Mai 2010, die eine längerfristige Perspektive beinhaltet, und auch die wirtschaftliche Entwicklung Mitte des nächsten Jahres abzuwarten. Auf der Basis wird man weiter arbeiten können. Für uns stehen Bürokratieabbau und Steuervereinfachung im Vordergrund. Alle anderen Maßnahmen können erst im Lichte der Zahlen im Sommer des nächsten Jahres betrachtet werden.
Sie reden jetzt wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen in der Koalition. Die FDP ist Protagonist eines Stufentarifs mit drei Stufen, der aber erst im Lichte der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und auch der Möglichkeiten der öffentlichen Hand geprüft werden muss.
Aber Sie sind doch kein Freund des Stufentarifs?
Ich mache aus meiner Auffassung keinen Hehl, dass der linear-progressive Einkommensteuertarif das eigentliche Markenzeichen einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Das kann ein Stufentarif nicht leisten.