Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Textarchiv > 2009 > Bildungsstreik
Im Zuge der anhaltenden Proteste von Schülern und Studenten für bessere Lehr- und Lernbedingungen und mehr Chancengleichheit in der Bildung, kommt der Deutsche Bundestag am Freitag, 4. Dezember 2009, ab 13.50 Uhr zusammen, um eine halbe Stunde über drei Anträge der Oppositionsfraktionen zu debattieren. Sowohl die SPD als auch Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben jeweils eigene Entwürfe eingebracht, in denen sie Forderungen aus dem Bildungsstreik aufnehmen.
Hintergrund der Anträge ist eine europaweite Protestbewegung an den Universitäten mit den Schwerpunkten Deutschland, Österreich und Italien. Allein am bundesweiten Aktionstag, dem 17. November 2009, demonstrierten in Deutschland 90.000 Menschen für ein besseres und sozial gerechteres Bildungssystem.
Die Forderungen der Demonstranten zielten auf die Überwindung des gegliederten Schulsystems, eine bessere Ausstattung von Schulen und Hochschulen und einer grundlegende Überarbeitung des Bologna-Prozesses für einen europäischen Hochschulraum.
Diese Forderungen stießen in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zumeist auf ein positives Echo. Neben Gewerkschaften und Hochschulrektoren äußerten auch die Bundeskanzlerin und die Bildungsministerin Verständnis für die Proteste.
Die SPD-Fraktion begrüßt die bereits von Bund und Ländern vereinbarte Verlängerung der Exzellenzinitiative für die Spitzenforschung an den Hochschulen sowie des Hochschulpaktes für 275.000 zusätzliche Studienanfänger bis 2015, fordert in ihrem Antrag jedoch flankierend, einen "Pakt für Studienqualität und gute Lehre" zu beschließen. Die Sozialdemokraten wollen sicherstellen, dass jeder mit einem Bachelor-Abschluss, der ein Master-Studium anstrebt, auch einen Studienplatz erhält.
Zudem soll eine Personalinitiative die Einstellung weiteren Lehrpersonals an den Hochschulen ermöglichen und die Durchlässigkeit zu einem Studium ohne Abitur weiter erhöht werden. Hierzu will die SPD zusammen mit den Länder eine Fernhochschule für Jedermann einrichten. In einem ersten Schritt sollen für den Studienpakt in den nächsten drei Jahre zusätzliche drei Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Des Weiteren fordert die SPD einen Gesetzentwurf für eine BaföG-Novelle als Gegenentwurf zum von Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan (CDU) angekündigten "nationalen Stipendiensystems". Die Förderung soll nach dem Willen der SPD nicht nur erhöht, sondern auch um zusätzliche Einkommens- und Altersgruppen erweitert werden und auch Oberstufenschüler aus einkommensschwachen Familien, die zuhause wohnen, umfassen.
Für den nötigen Bildungsaufbruch und für mehr Bildungsgerechtigkeit müssen jährlich rund 23 Milliarden Euro mehr aufgebracht werden, schreiben Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag. Erst dann wären die Bildungseinrichtungen in Deutschland im Vergleich der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (OECD) zumindest durchschnittlich finanziert. Zur Finanzierung solle der bisherige Solidaritätszuschlag ab 2010 wenigsten teilweise in einen "Bildungssoli" umgewandelt werden.
Um die Hochschulen sozial stärker zu öffnen wollen die Grünen in einem "Pakt für Studierende" in den nächsten fünf Jahren eine halbe Million zusätzlicher Studienplätze bereitstellen.
Zusammen mit Ländern und Hochschulen soll zudem ein Bologna-Gipfel einberufen werden, der handwerkliche Fehler im Bachelor-Master-System rasch behebt. Ebenso wie die SPD sprechen sich auch die Grünen gegen das Nationale Stipendienprogramm von Schwarz-Gelb aus, ließe sich doch das BaföG alleine mit diesen Mitteln sofort um zehn Prozent erhöhen.
Die Linke kritisiert in ihrem Entwurf die eklatante Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems im internationalen Vergleich. "Das deutsche Bildungssystem reproduziert wie kaum ein anderes weltweit die soziale Spaltung der Gesellschaft", schreibt die Fraktion. Sie bezieht sich hierbei auf Vergleichsstudien der OECD.
Während Deutschland 2007 nur 4,8 Prozent der Bruttoinlandsprodukts für das eigene Bildungssystem einsetzte, investierten Spitzenreiter wie die USA, und Dänemark einen Anteil von über sieben Prozent. Selbst der Durchschnitt aller OECD-Länder liege mit 5,4 Prozent deutlich über dem deutschen Wert. Diese Unterfinanzierung habe trotz steigender Studierendenzahlen zu einem Abbau von allein 1.500 Professuren in den letzten 15 Jahren geführt.
Vor diesem Hintergrund fordert Die Linke noch in diesem Jahr verbindliche Vereinbarungen zu treffen, die eine zügige Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Bildung auf mindestens sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts sicherstellen.
Zudem solle das in der Föderalismusreform festgeschriebene Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aufgehoben werden, um auch dem Bund zu ermöglichen ein Programm zur Förderung von Ganztagsschulen auf den Weg zu bringen.