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Der Bundestag hat am Donnerstag, 17. Dezember 2009, den Antrag der Linksfraktion zur Anhebung und bedarfgsgerechten Ermittlung der Kinderegelsätze ( 17/23) abgelehnt. Nach einer 30-minütigen Debatte stimmten die Abgeordneten der Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90/ Die Grünen für den Antrag, die SPD-Fraktion enthielt sich. Die Delegierten der Regierungskoalition stimmten gegen den Antrag und folgten damit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales ( 17/204).
Der Antrag der Linken stieß insbesondere bei der FDP für heftigen Widerspruch. Reiner Deutschmann bezeichnete diesen als "Scheinriesen“. "Auf den ersten Blick“, so Deutschmann, "erscheint er groß und mächtig, auf den zweiten Blick ganz klein.“ Zwar würde es seine Fraktion begrüßen, wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im ersten Quartal nächsten Jahres - wie allgemein erwartet - "bestehende Fehler und Schieflagen" in der bestehenden Gesetzgebung korrigiert.
Jedoch entspräche es nicht einer effizienten Gesetzgebung, noch vor dem Urteil eine neue Berechnung zu fordern. Deutschmann kritisierte außerdem, dass bei der Neuberechnung der Regelsätze die Bewertung von Interessenverbänden zur Grundlage genommen werde: "Dies sollte neutralen Stellen überlassen werden und nicht einem Verband mit Partikularinteressen“, sagte Deutschmann und bezog sich damit auf die Forderung der Linken, für die Übergangszeit bis zur Neu-Ermittlung der Kinderregelsätze diese auf Grundlage einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands deutlich anzuheben.
Auch Mechthild Heil (CDU/CSU) sprach sich dafür aus, zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. „Wir wollen eine verfassungskonforme Regelung“, begründete sie ihre Forderung, zumal entscheidende Details des Urteils noch völlig offen seien.
Unabhängig davon bezeichnete Heil die Forderung der Linken nach Anhebung der Regelsätze als unrealistisch. "Je nach Alter des Kindes fordert die Linke eine Anhebung zwischen 28 und 32 Prozent. Das klingt toll, ist aber nicht seriös. Auch wenn bald Weihnachten ist“, so Heil. Ziel müsse es neben der Unterstützung bedürftiger Kinder sein, insbesondere allein erziehende Mütter wieder von staatlichen Leistungen unabhängig zu machen. "Arbeit mindert das Armutsrisiko“, sagte Heil.
Scharfe Kritik an der Haltung der Regierungsfraktionen übten Bündnis 90/ Die Grünen. "Der Tenor ist Abwarten“, sagte Markus Kurth. "Wir sind aber Gesetzgeber; wir dürfen nicht warten, bis das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat“, appellierte Kurth vor allem an die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP, die er als „passive Klötze“ bezeichnete.
Wenn es jedoch darum gehe, "Familien mit höheren Einkommen zu begünstigen, haben Sie weniger Probleme“, sagte Kurth und bezog sich auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Regierungskoalition. Dieses sieht die Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds vor.
In diesem Zusammenhang bescheinigte er Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) "ein eigentümliches Verständnis von sozialer Ausgewogenheit“. Man könne sich schon denken, so Kurth, wer die Betroffenen sein werden, wenn, wie von Schäuble angekündigt, ab 2011 wieder schärfere Sparmaßnahmen eingeführt werden.
Auch Diana Golze (Die Linke) schloss sich der Kritik an. Während sich im Zuge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes einige Familien über Begünstigungen freuten, bekämen Millionen deutscher Eltern, die Sozialleistungen beziehen, gar nichts.
"Wer gibt Ihnen das Recht zu sagen“, so Golze, "Kinder mit den falschen Eltern haben eben Pech gehabt?“ Die Regierung gebe den Vermögenden mit vollen Händen, während sie für die Vergabe von Almosen erst auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warte. "Deswegen wird es auch kein Ende dieser schreienden Ungerechtigkeit geben“, kritisierte Golze.
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) teilte die Forderung der Linksfraktion, die Kinderregelsätze neu zu bemessen, sprach sich aber gleichzeitig dafür aus, den Kinderbedarf genauer zu erfassen. "Leider wird die Einkommens- und Verbraucherstichprobe nur alle fünf Jahre vorgenommen“, kritisierte Hiller-Ohm.
Den Vorschlag der Linken, für die Entwicklung einer Gesetzesvorlage eine Kommission einzuberufen, lehnte Hiller-Ohm ab. "Eine solche Kommission ist nicht zielführend“, begründete sie und kündigte gleichzeitig einen eigenen Vorschlag der SPD für den Anfang des nächsten Jahres an.
Mit Blick auf die morgige Abstimmung im Bundesrat über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz appellierte Hiller-Ohm an den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU), das Gesetz zu kippen: "Herr Carstensen, sagen Sie morgen nein!“ Andernfalls würde im Zuge der Steuerausfälle in den Ländern das Geld für die Kinder fehlen.