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Ein von Bündnis90/Die Grünen vorgelegter Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ( 17/156) ist am Freitag, 18. Dezember 2009, im Bundestag auf heftige Kritik aus den Reihen von CDU/CSU und FDP gestoßen. Während die Linksfraktion grundsätzlich Unterstützung signalisierte, kündigte die SPD Diskussionsbedarf in Detailfragen an. Der in erster Lesung beratene Entwurf will alte sowie geplante Gas- und Kohlekraftwerke durch verschärfte Vorgaben energieeffizienter machen. Die in der Energieversorgung produzierten Treibhausgase seien maßgeblich mitverantwortlich am ungebremst voranschreitenden Klimawandel, betonen die Grünen. Überschattet wurde die Debatte vom Weltklimagipfel in Kopenhagen, auf dem unterdessen mehr als hundert Staats- und Regierungschefs um verbindliche Ziele beim Klimaschutz rangen.
Konkret sieht der Entwurf vor, den vorgegebenen Mindestwirkungsgrad für fossil befeuerte Kraftwerke von derzeit 46 auf 58 Prozent zu erhöhen. Zudem sollen Altanlagen mit Kohle und Gas so betrieben werden, dass der „durchschnittliche technische Stand der siebziger Jahre“ eingehalten wird.
Danach würden Anlagen, die Strom durch den Einsatz von Steinkohle gewinnen, ab 2016 einem Mindestwirkungsgrad von 38 Prozent und mit Braunkohle betriebene Anlagen einem Mindestwirkungsgrad von 36 Prozent unterliegen. Ab 2021, sieht der Gesetzentwurf weiter vor, soll dieser Wert auf 40 Prozent bei Steinkohle und 38 Prozent bei Braunkohle steigen.
Darüber hinaus fordern die Grünen als Mindeststandard für Anlagen, die mit Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) betrieben werden, einen Gesamtnutzungsgrad von auf das Jahr gerechnet mindestens 75 Prozent.
In seiner ersten Rede vor dem Bundestag kritisierte Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) die Umweltpolitik der Bundesregerung und der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Krischer sagte: "Deutschland hat die Führungsrolle im internationalen Klimaschutz unter der Bundesklimakanzlerin a.D. abgegeben.“ Nirgends werde dies deutlicher als im Energiesektor, in dem die Emissionen "erschreckend“ zunähmen.
Dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers warf Krischer vor, das Landesgesetz zu ändern, um ein schädliches Kohlekraftwerk zu genehmigen. "Parallel zu Kopenhagen wird der Klimaschutz in der Landesplanung abgeschafft.“
Es sei ein Irrsinn, so der Grünen-Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz, "wenn rund um das Ruhrgebiet ein Kranz von Kohlekraftwerken gebaut wird, die sechzig Prozent der Energie nutzlos an die Umwelt abgeben, während in den Städten Wohnungen mit aus Russland importiertem Erdgas geheizt werden.“
Der CDU-Politiker Dr. Michael Paul sah in dem Antrag der Grünen einen praktisch vollständigen Ausstieg aus der Kohlenutzung in Deutschland. "Mindestwirkungsgrade von 58 Prozent können Kohlekraftwerke in den nächsten Jahren nicht erreichen. Es handel sich also um ein Neubauverbot.“
Zudem kritisierte Paul den Gesetzentwurf als grundgesetzwidrig. Wer bestehenden Anlagen, die eine unbefristete Genehmigung hätten, durch erdrosselnde Vorschriften den Garaus mache, setze sich über rechtsstaatliche Prinzipien hinweg.
Über 100 000 Arbeitsplätze würden vernichtet und die Versorgungssicherheit mit Energie massiv gefährdet. "Dies wäre eine unmittelbare Folge des Gesetzes“, so Paul. Mit dem Emissionshandel hätte Deutschland zudem bereits ein ökologisch und ökonomisch wirkungsvolles Instrument, das eine Balance von Wirtschaftlichkeit und Ökologie schaffe.
Ute Vogt (SPD) betonte die Übereinstimmung ihrer Fraktion mit dem Ziel der Grünen, die Effizienz von Kohlekraftwerken zu steigern. "Doch die Höhe des Wirkungsgrades ist faktisch ein Verbot von Kohlekraftwerken. Im Moment können wir aber auf einen Neubau nicht vollständig verzichten.“ Die Frage der Prozentsätze sollte daher in einer ausführlichen Debatte diskutiert werden.
Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kauch, unterstrich, dass die Liberalen langfristig eine fossile Energieversorgung überwinden wollten. Den Grünen indes warf Kauch vor, die Wirkung des Emissionshandels nicht verstanden zu haben. „Jede Tonne, die ein abgeschaltetes Kraftwerk nicht emittiert, wird von einem anderen aufgekauft.“
Der Gesetzentwurf sei daher scheinheilig und ein Nullsummenspiel. Er verhindere Kohlekraftwerke und fördere Gaskraftwerke. "In Wahrheit ist das, was Sie machen, eine Strategie für das Gas, für mehr Abhängigkeit von Russland“, so Kauch. "Das freut Putin, dessen Lobbyist sie hier in Deutschland sind.“
Dorothee Menzner (Die Linke) signalisierte die Bereitschaft ihrer Fraktion, den Antrag der Grünen zu unterstützen. "Wir brauchen eine juristische Handhabe, um den Bau von klimaschädlichen Kraftwerken zu verhindern“, so Menzner. Diesen Ansatz verfolge der Antrag, der nun im Umweltausschuss weiterberaten wird.