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Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundestag © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Im September 2009 beging das Parlament ein Jubiläum: Vor 60 Jahren trat die Volksvertretung in der provisorischen Hauptstadt Bonn zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Anlass für einen Rückblick auf 16 Wahlperioden, auf Meilensteine, Wendemarken, Personen und Entscheidungen. In der zehnten Folge geht es um die Wahlperiode von 1983 bis 1987.
Die Regierungserklärungen Dr. Helmut Kohls (CDU) im Parlament markieren die programmatischen Schwerpunkte dieser Wahlperiode: wirtschaftlicher Aufschwung und Modernisierung der Wirtschaft, Abbau der Massenarbeitslosigkeit, technischer Fortschritt, Stärkung der Investitionsfähigkeit.
Der Bundestag verabschiedet zahlreiche Gesetze zu diesem Zweck, unter anderem beschließt er eine dreistufige Steuerreform und senkt die Grunderwerbsteuer. Mit einem Vorruhestandsgesetz und einem Beschäftigungsförderungsgesetz soll die Massenarbeitslosigkeit bekämpft werden. Während es in den nächsten Jahren zu einem Wirtschaftswachstum kommt, bleibt die Arbeitslosenquote weiterhin hoch.
Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition, der am 1. Oktober 1982 mit dem Sturz Helmut Schmidts durch ein konstruktives Misstrauensvotum endgültig vollzogen ist, strebt der neue Bundeskanzler Helmut Kohl Neuwahlen an, um den Regierungswechsel auch durch den Wähler legitimieren zu lassen.
In der Bundestagswahl am 6. März 1983 erringt die Union mit 48,8 Prozent einen erheblichen Stimmengewinn, SPD und FDP schreiben Verluste. Die Sozialdemokraten erreichen 38,2 und die Liberalen sieben Prozent.
Helmut Kohl wird abermals zum Bundeskanzler gewählt, Außenminister und Vizekanzler wird wieder Hans-Dietrich Genscher (FDP). Erstmals zieht die Umweltpartei der "Grünen" mit 29 Abgeordneten in den Bundestag ein. Sie vertritt einen radikal pazifistischen Kurs und fordert Abrüstung und ein Ende des "Blockdenkens".
Nachdem die Sowjetunion seit 1976 mit der Stationierung von SS 20-Raketen die sicherheitspolitische Balance zu Ungunsten Westeuropas verschoben hatte und Verhandlungen über den Abbau der sowjetischen Raketen gescheitert sind, debattiert der Bundestag im November 1983 der Bundestag zwei Tage lang über die Nachrüstung und Stationierung amerikanischer Nuklearwaffen.
Die Debatte wird begleitet von Massenprotesten und Demonstrationen der "Friedensbewegung". Die Entscheidung fällt mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition gegen die Stimmen der Opposition aus SPD und Grünen zugunsten der Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden.
Trotz der Stationierung neuer atomarer Raketen gelingt es der Bundesrepublik, das deutsch-deutsche Verhältnis durch weitere Abkommen zu verbessern. Durch den Wechsel in der sowjetischen Führung eröffnen sich neue Perspektiven.
Getrieben vom wirtschaftlichen Niedergang der Sowjetunion, der sowohl eine rüstungspolitische Entlastung als auch innenpolitische Reformen notwendig machte, führt Michail Gorbatschow, der neue Generalsekretär der KPdSU, eine weltpolitische Wende herbei. Die Verhandlungen über die Reduzierung atomarer Mittelstreckenwaffen werden wieder aufgenommen und es wird eine kontrollierte Abrüstung vereinbart.
Der 40. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1985 führt zu einer erneuten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker (CDU) hält eine Rede vor Mitgliedern des Bundestages und Bundesrates. Sie wird wegen ihres klaren Bekenntnisses zur Schuldverstrickung vieler Deutscher in die NS-Verbrechen national und international mit Respekt und Anerkennung aufgenommen.
Der Umweltschutz bleibt auf der Tagesordnung, wofür mit zahlreichen Anträgen nicht zuletzt die Grünen-Fraktion sorgt. Nach der Katastrophe von Tschernobyl im April 1986 wird ein Umweltministerium gegründet, der Bundestag setzt einen Umweltausschuss ein. Das Parlament beauftragt Enquete-Kommissionen, sich mit dem technischen Fortschritt und seinen Problemen und Gefahren auseinanderzusetzen. Bundestag und Regierung sorgen dafür, dass Westdeutschland im Umweltschutz eine Vorreiterrolle einnimmt.
Verschiedene Affären überschatten die Arbeit der Parteien, der Regierung und des Parlaments - unter anderem die Flick- und Parteispendenaffäre. Es wird bekannt, dass FDP-Minister mit der Annahme von Spendengelder des Flick-Konzerns gegen Steuergesetze und das Parteispendengesetz verstoßen haben, woraufhin der Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzt.
Dabei wird aufgedeckt, dass auch Union und SPD gesetzeswidrig Spenden des Flick-Konzerns erhalten haben, oft über den Umweg gemeinnützig eingestufter parteinaher Organisationen. In der Folge werden Regeln im Parteiengesetz über die Offenlegung privater Spenden verschärft und ergänzt.
Angesichts des schlechten Bauzustands des alten Plenarsaals und der Entscheidung für einen Neubau muss für eine Übergangszeit ein Ausweichplenarsaal gefunden werden. Die Wahl fällt auf das Pumpenhaus eines Wasserwerks, das im Regierungsviertel steht und in dem man seit dem 9. September 1986 tagt.
Bis 1987 soll der sanierte Plenarsaal wieder zur Verfügung stehen, so die Planungen. Der marode Zustand des alten Plenarsaals und die zu erwartenden hohen Sanierungskosten führen allerdings zu einem Umdenken: Abriss und Neubau. Eine nicht unumstrittene Entscheidung.
Gegner des Abrisses machen vor allem Denkmalschutzpläne für den alten Plenarsaal und die Kostensteigerungen bei den Planungen für einen Neubau geltend. Am 5. Juni 1987 entscheidet sich der Deutsche Bundestag nach lebhafter Debatte mehrheitlich für den Abriss des alten Plenarsaals und einen Neubau mit kreisrunder Sitzordnung.