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Die Forderungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nach einer umfassenden Reform des BAföG, die unter anderem höhere Freibeträge und steigende Bedarfssätze als Vollzuschuss umfassen soll, ist am Freitag, 5. März 2010, bei Union und FDP auf wenig Gegenliebe gestoßen. Die Vorschläge, die SPD und Grüne in zwei eigenen Anträgen konkretisiert haben, wiesen Redner der Koalition als "unfinanzierbar und unoriginell“ zurück.
Die SPD hatte in ihrem Antrag ( 17/884) vor allem gefordert, die Freibeträge für die Bundesausbildungsförderung um zehn Prozent anzuheben, um mehr Menschen in die Förderung aufzunehmen. Auch die Bedarfssätze sollen nach Willen der Fraktion um drei Prozent steigen.
Bündnis 90/Die Grünen plädieren in ihrer Vorlage (17/899) dagegen für ein "Zwei-Säulen-Modell“, das sich zum einen Teil aus einem bedarfsunabhängigen Zuschuss für alle Studierenden und einem bedarfsabhängigen Zuschuss in Höhe zusammensetzen soll. Ein fester Betrag soll demnach unabhängig vom Elterneinkommen an alle Studenten gehen. Studenten aus einkommensschwachen Familien sollen zusätzlich einen Zuschuss erhalten. Nach diesem Modell soll beides - anders als beim BAföG - als reiner Zuschuss fließen und nicht teilweise als Darlehen.
Mit diesem Bedarfszuschuss der zweiten Säule würden Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern gefördert werde. Gleichzeitig verlangen die Grünen die Anhebung der Freibeträge um mindestens fünf Prozent.
Swen Schulz, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, beklagte zum Auftakt der Debatte, Deutschland sei von dem Ziel, dass Bildung ein Menschenrecht sei, welches nicht vom Geldbeutel abhängen dürfe, noch weit entfernt. Studien zeigten, dass zu viele junge Menschen von der Aufnahme eines Studiums durch fehlende finanzielle Mittel abgehalten würden. Auch für einen vorzeitigen Abbruch seien oft finanzielle Probleme ausschlaggebend.
"Es liegt also auf der Hand: Wir müssen die finanzielle Situation von Schülern und Studierenden verbessern“, sagte Schulz. Aus diesem Grund plädiere seine Fraktion dafür, nicht nur die Bedarfssätze zu erhöhen, sondern auch die Freibeträge anzuheben. "So weiten wir den Kreis der Bezieher zur Mitte der Gesellschaft hin aus.“ Von der Bundesregierung forderte der Sozialdemokrat "endlich Mut und Tatkraft“ zu einer echten BAföG-Novelle. Bislang habe sie sich nur zu moderaten Erhöhungen durchringen können. Das sei aber "halbherzig“ und löse kein Problem, so Schulz.
Dr. Helge Braun, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, wies die Vorwürfe zurück: Unter Rot-Grün habe es keine relevanten Erhöhungen der BAföG-Sätze gegeben. Erst Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) habe 2008 die Förderung um acht Prozent angehoben und die Freibeträge um zehn Prozent ausgeweitet. Nun plane die Bundesregierung die nächste Anpassung. "Das ist eine Kontinuität, die ist historisch einzigartig“, betonte der CDU-Politiker.
Die Anträge der Opposition lehnte Braun hingegen ab. Die Regierung plane stattdessen ein auch mit privaten Geldern finanziertes nationales Stipendienprogramm, mit dem zehn Prozent aller Studierenden unterstützt werden sollten. "Nur auf ein Instrument zu setzen, ist nicht die Politik der Bundesregierung“, so Braun.
"Chancengerechtigkeit statt Selektion"
Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, kritisierte jedoch gerade dieses Stipendienprogramm scharf: "Damit bereiten Sie den schleichenden Ausstieg aus der öffentlichen Ausbildungsförderung vor!“ Zudem wies Gohlke auf Studien hin, die zeigten, dass seltener Kinder aus bildungsfernen Familien Stipendien erhielten als Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern.
Die Bundesregierung müsse endlich die Angst von Schülern und Studenten aus sozial schwachen Familien ernstnehmen, die befürchteten. Denn diese befürchteten, nach einem Bachelor-Studium nicht nur verschuldet zu sein, sondern auch mit ihrem Abschluss nicht sofort Arbeit zu finden und Hartz IV beantragen zu müssen.
Gohlke forderte, die BAföG-Bedarfssätze auf einen Vollzuschuss umzustellen. Doch die bisherige Politik zeige, monierte die Abgeordnete, dass es der Bundesregierung nicht um Chancengerechtigkeit im Bildungssystem gehe sondern um Selektion. "Das ist ein mittelalterliches Menschenbild“, sagte Gohlke.
"Stipendienmodell als Chance"
Für die FDP-Fraktion sprach sich Andreas Pinkwart, Mitglied der nordrhein-westfälischen Landesregierung, für eine breiter aufgestellte Studienfinanzierung aus. In Ergänzung zum BAföG-System, das auf sozialen Kriterien basiert, solle nach dem Vorbild in Nordrhein-Westfalen ein bundesweites Stipendiensystem errichtet werden. Den Widerstand der Opposition geißelte Pinkwart als "Armutszeugnis“.
Beim Stipendienmodell handele es sich um eine "riesige Chance“ für die Studierenden. Das zivilgesellschaftliche Potenzial solcher Programme habe Rot-Grün bislang versäumt nutzbar zu machen, kritisierte der FDP-Politiker.
Entgegen der Kritik insbesondere aus den Reihen der Linksfraktion, das Modell sei unsozial, betonte er, dass sowohl Studenten an Universitäten als auch an Fachhochschulen von dem Angebot profitieren werden. "Und gerade aus den Fachhochschulen kommen die Bildungsaufsteiger“, sagte Pinkwart. Das Stipendienmodell solle als begabungsabhängige "zweite Säule der Studienfinanzierung“ neben dem BAföG-System errichtet werden und gelte einkommensunabhängig.
"Regierung auf dem Holzweg"
Kai Gehring, jugend- und hochschulpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, forderte, die staatliche Studienfinanzierung müsse "besser, leistungsfähiger und vernetzter“ werden. Dringend notwendig sei daher ein Umbau nach dem von den Grünen favorisierten "Zwei-Säulen-Modell“, das sich aus bedarfsunabhängigen und bedarfsabhängigen Zuschüssen zusammensetze.
Mit der Einrichtung eines nationalen Stipendienprogramms nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens begebe sich die Bundesregierung jedoch auf den Holzweg, monierte Gehring. Es sei keine Antwort auf die soziale Schieflage im Bildungssystem. "Die 300 Millionen sollten Sie lieber ins BAföG stecken“, riet der Grüne der Koalition. Was die Studierenden benötigen, sei finanzielle Sicherheit, keine "Stipendienlotterie“. Die Pläne der Bundesregierung zur Studienfinanzierung bilanzierte Gehring mit den Worten "unausgegoren, unattraktiv und unsicher“.
Der Bundestag überwies die Anträge im Anschluss zur weiteren Beratung in die Ausschüsse.