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Die Arbeit von Ratingagenturen und die Bedeutung der von ihnen erstellten Ratings ist von den meisten Sachverständigen in einer Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 24. März 2010, kritisch beurteilt worden. So äußerte die Deutsche Bundesbank Zweifel, ob neue Ratingagenturen auf dem bisher von wenigen Unternehmen beherrschten Markt die Verhältnisse wesentlich ändern würden. Sie könnten sich möglicherweise nur auf dem Markt etablieren, indem sie für Unternehmen und Wertpapiere bessere Bewertungen als die Wettbewerber abgeben würden. Auch die Gründung einer staatlichen Ratingagentur beurteilte die Bundesbank mit Blick auf deren Ratings von anderen Staaten wie Griechenland kritisch. Ratings könnten eigenständige Analysen nicht ersetzen, erklärte die Bundesbank.
Anlass der Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur europäischen Verordnung über Ratingagenturen ( 17/716), mit dem Konsequenzen aus der Finanzkrise gezogen werden sollen. Die Agenturen hätten die verschlechterte Marktlage nicht früh genug erkannt, wird darin kritisiert.
Künftig sollen Agenturen zahlreiche Bestimmungen beachten müssen. So drohen Bußgelder bis zu einer Million Euro, wenn eine Ratingagentur sowohl Beratungsleistungen erbringt als auch die Produkte des beratenen Unternehmens mit Ratings versieht. Bis zur Gründung einer Europäischen Aufsichtsbehörde soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die neuen Aufgaben übernehmen.
Die vorgeschriebene Trennung von Rating und Beratung lässt sich nach Ansicht des Unternehmensberaters Karl-Heinz Bachstädt umgehen, indem eine Agentur ihr Bewertungs- und Beratungsgeschäft unter dem Dach einer Holding aufteilt. Außerdem könnte die Trennung von Rating und Beratung unterlaufen werden, wenn die Mitarbeiter einer Ratingagentur unmittelbar nach Ende der Tätigkeit dort in die Beratungsfirma wechseln würden.
Der Bußgeldrahmen sei vor dem Hintergrund der Milliarden-Umsätze der großen Ratingagenturen "viel zu niedrig“, kritisierte Bachstädt. Für ein europäisches Ratingsystem sprach sich Prof. Dr. Wolfgang Gerke (Bayerisches Finanz Zentrum) aus, zeigte sich jedoch zugleich "pessimistisch, das dies gelingt“.
Susanne Uhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, private externe Ratings würden heute weitestgehend interne Bewertungen seitens der Gläubiger ersetzen. Bei strukturierten Produkten hätten Banken und Bankaufsicht heute keine eigene Expertise mehr. Diese Expertise müsse es wieder geben, forderte Uhl.
Zugleich kritisierte sie die Auswirkungen der Arbeit der Agenturen, die mit der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Staaten, Ländern und Kommunen über die Zinsbelastung der betroffenen Schuldner entscheiden würden. "Im Bereich von Finanzprodukten agieren sie wie ein Finanz-TüV, ohne jedoch für Falschbewertungen zu haften.“
Der Zentrale Kreditausschuss bestätigte, dass die Banken keine Systeme hätten, um umgepackte Finanzprodukte zu bewerten. Man habe jedoch hervorragende Systeme zur Bewertung zum Beispiel von mittelständischen Unternehmen.
Bertram Theilacker, Vorstandsmitglied einer Sparkasse, erklärte, mit der Einführung einer Aufsicht im Gesetzentwurf werde ein an sich nicht richtiges System nur bestätigt. Ratingagenturenwürden auch künftig für ihre Urteile von den Beurteilten bezahlt. "Die Gefahr, dass Risiken unterzeichnet werden, bleibt damit latent vorhanden“, erklärte Theilacker.
Vertreter der Ratingagenturen begrüßten die beabsichtigte europäische Harmonisierung der Aufsicht. Ratings seien Meinungen und das werde auch so bleiben, sagte der Vertreter von "Fitch Deutschland“. Prognosen würden manchmal schiefgehen.
In der Stellungnahme von "Moody’s Investor Service“ (MIS) hieß es unter anderem, aus den dramatischen Veränderungen des Finanzsystems hätten sich wichtige Lehren ergeben. MIS habe darauf mit einer Vielzahl von Initiativen reagiert, "um die Qualität, Unabhängigkeit und Transparenz seiner Ratings zu verbessern“.