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Die Frage, wie die desolate Finanzlage von vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen verbessert werden kann, hat in der 90-minütigen Debatte am Donnerstag, 25. März 2010, zu Streit zwischen Koalition und Opposition geführt. SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen warfen Union und FDP vor, eine "kommunenfeindliche Politik“ zu betreiben und mit Steuersenkungen den Städten systematisch die finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu entziehen.
SPD und Linksfraktion forderten einen "Rettungsschirm“ sowie mehr Mitwirkungsrechte für die Kommunen. Bislang würden Vorschläge kommunaler Spitzenvertreter nicht genügend gehört. Die Koalition wies dies jedoch strikt zurück: Bis zum Herbst werde die von der Regierung neu eingesetzte Gemeindefinanzkommission ein Konzept zur langfristigen Konsolidierung der kommunalen Finanzen vorlegen. Daran würden auch Vertreter von Städten und Gemeinden beteiligt.
Den Gesetzentwurf der SPD zur Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen lehnte der Bundestag in namentlicher Abstimmung mit 309 von 557 abgegebenen Stimmen ab. 248 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf ( 17/520). Auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der das gleiche Ziel verfolgte, fand erwartungsgemäß keine Mehrheit im Plenum ( 17/447, 17/869). Die drei übrigen Anträge von SPD und Die Linke ( 17/1152, 17/1142, 17/1143) wurden nach der Debatte zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
"Rettungsschirm für Städte und Gemeinden aufspannen"
In der Debatte trat der SPD-Politiker Bernd Scheelen vehement für einen "Rettungsschirm“ für die Kommunen ein: Auch für Banken und Arbeitsplätze habe die Große Koalition erfolgreich solche Schirme "aufgespannt“, nun sei es Zeit für umfängliche Hilfen für die Städte, Gemeinden und Landkreise. Diese litten an den Folgen der Wirtschaftskrise, doch "mehr noch an Schwarz-Gelb“.
Die Steuersenkungspolitik der Bundesregierung schimpfte der Sozialdemokrat einen "Katalog der Grausamkeiten“ und erteilte gleichzeitig Überlegungen in der Koalition, die Gewerbesteuer abzuschaffen, eine klare Absage. Diese sei die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen und könne nicht einfach durch die Körperschaftsteuer ersetzt werden. "Lassen Sie also die Finger davon!“
"Forderungen nicht finanzierbar"
Antje Tillmann, Finanzpolitikerin der CDU/CSU, zeigte sich unbeeindruckt von dieser Kritik und griff im Gegenzug die SPD an: Deren Vorschläge, angefangen vom Rettungsschirm für die Kommunen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro, seien überhaupt nicht gegenfinanziert. "Das wissen Sie auch ganz genau, sonst hätten Sie sich nicht gescheut, den Antrag in den Haushaltsverhandlungen zu stellen“, sagte Tillmann.
Auch den Antrag der Linksfraktion für mehr kommunale Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren wollte die CDU-Abgeordnete nicht gelten lassen: Schon jetzt würden kommunale Spitzenvertreter immer gehört, wenn die Angelegenheiten der Städte und Kommunen betroffen seien. Dies sichere unter anderem auch die Geschäftsordnung des Bundestages ab. "Auch in der Gemeindefinanzkommission werden wir zusammen mit den Kommunen eine Lösung zur Verstetigung der Finanzen finden, da können Sie sicher sein!“
"Kommunen bluten aus"
Dr. Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, nannte die finanzielle Notlage vieler Kommunen "einen unhaltbaren Zustand für eines der reichsten Länder der Welt“. Zwölf Milliarden Euro fehlten den Städten und Gemeinden, doch die Kanzlerin zeige "allenfalls Verständnis“, klagte Lötzsch.
Konkret sei es aber die Politik der Regierung, die die Lage der Kommunen so verschärft habe: "Es war ein schwerer Fehler, gleichzeitig die Schuldenbremse ab 2011 einzubauen und Steuergeschenke zu verteilen“, erklärte die Linkspolitikerin. Damit habe man das Ausbluten der Kommunen in Kauf genommen. Ein Rettungsschirm, wie nun von der SPD gefordert, reiche da aber längst nicht mehr aus. Langfristig könnten die Probleme der Städte und Gemeinden nur gelöst werden, wenn endlich auch die "zur Kasse gebeten“ würden, die in der Krise verdient hätten.
"Strukturelle Probleme mit strukturellen Veränderungen lösen"
Dr. Birgit Reinemund (FDP) erklärte, es sei unbestritten, dass die Lage der Kommunen sehr ernst sei. Viele könnten ihre Ausgaben nur noch über Kassenkredite finanzieren. Dennoch gebe es durchaus Städte, denen es besser ginge und die trotz Wirtschaftskrise ihre Haushalte konsolidieren konnten.
Die Liberale stellte aber klar: "Die Kommunen brauchen jetzt solide und konjunkturunabhängige Finanzen.“ Es müsse dringend überprüft werden, ob der Zuweisungsschlüssel im Finanzausgleich noch der Realität entspreche. Die problematische Lage der Kommunen habe auch strukturelle Ursachen. Diese könne jedoch auch nur durch strukturelle Veränderungen verbessert werden, so Reinemund. Dieser Aufgabe werde sich die neu eingesetzte Gemeindefinanzkommission widmen. Bis zum Herbst, so kündigte die Abgeordnete an, werde ein Konzept auf dem Tisch liegen.
"Keine weiteren Steuersenkungen"
Britta Haßelmann, kommunalpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, warf ihrer Vorrednerin vor, die "kommunalpolitische Wirklichkeit“ nicht zu kennen. Anders könne es nicht verstanden werden, wenn Reinemund den Kommunen indirekt vorwerfe, nicht genügend zur Behebung ihrer eigenen Notlage getan zu haben. Tatsächlich seien es doch bundespolitische Beschlüsse gewesen, die diese verursacht hätten, betonte die Abgeordnete und listete Einnahmenausfälle in Höhe von insgesamt 6,5 Milliarden Euro auf, die die Kommunen seit Ende 2008 zu bewältigen hätten.
Haßelmann forderte deshalb die Bundesregierung auf, "systematisch auf weitere Steuersenkungen zu verzichten“. Auch warnte sie, wie zuvor der SPD-Abgeordnete Scheelen, vor einer Abschaffung der Gewerbesteuer. Diese bringe den Kommunen in guten Jahren rund 35 Milliarden ein. "Wie wollen Sie die ersetzen?“ Zudem sei es falsch, die Unternehmen so von ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge zu entbinden und nur noch die Bürger dafür in Haftung zu nehmen, monierte die Politikerin.
"Finanzen der Kommunen grundlegend stärken"
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) hob in seiner Rede die Wichtigkeit der kommunalen Selbstversorgung hervor. Der "vitale“ Bezug der Menschen zu ihrer Gemeinde sei gerade in Zeiten der Globalisierung - da Bindungen allgemein eher nachließen - "die Grundlage für unsere Freiheitsordnung“. Deshalb habe die Arbeit der Gemeindefinanzkommission "hohe Dringlichkeit und Priorität“.
Noch in diesem Jahr werde man zusammen mit Vertretern der Länder und kommunalen Spitzen Lösungsvorschläge für die finanziellen Probleme der Kommunen erarbeiten. Ziel sei es, die Finanzen der Städte, Gemeinden und Kreise langfristig und grundlegend zu stärken. "Zuweisungen und Rettungsschirme sind immer nur die zweitbeste Lösung“, sagte der Minister. Auch weil diese nicht die Eigenverantwortung der Kommunen förderten.