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Bei der Diskussion um die zukünftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt die Kluft zwischen Koalition und der Opposition weiter bestehen. Das wurde bei der Debatte am Freitag, 7. Mai 2010, erneut deutlich. Während Union und FDP eine einkommensunabhängige Gesundheitsprämie - von der Opposition auch Kopfpauschale genannt - bevorzugen, plädieren SPD, Grüne und die Linksfraktion für eine Bürgerversicherung, deren genaue Ausgestaltung von Fraktion zu Fraktion unterschiedlich geplant ist.
In diesem Zusammenhang vorgelegte Oppositionsanträge der Linksfraktion ( 17/240, 17/1605) und von Bündnis 90/Die Grünen ( 17/258, 17/1606) wurden im Anschluss an die Debatte abgelehnt. Einen weiteren Antrag der Linken ( 17/1238), eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege einzuführen, überwies der Bundestag zur Beratung in die Ausschüsse. Anlass der Debatte war eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Einführung einer Kopfprämie in der gesetzlichen Krankenversicherung ( 17/865).
Die Koalition führe mit ihrer Gesundheitspolitik die Menschen hinters Licht und fahre das Gesundheitssystem "sehenden Auges an die Wand“, sagte die SPD-Abgeordnete Elke Ferner. "Anstatt den Menschen vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen reinen Wein einzuschenken, verkriechen sie sich in Kommissionen und reden die Probleme klein“, sagte Ferner.
Es solle vertuscht werden, welche zusätzlichen Belastungen auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) künftig hinzukommen. "Sie wollen eine Kopfpauschale einführen“, so die SPD-Politikerin an die Koalition gewandt.
Der angekündigte "automatisierte Sozialausgleich“ sei zumindest bei Rentnern und Geringverdienern nicht möglich. "Sie machen die Menschen zu Bittstellern“, kritisierte Ferner. Wer dies möchte, könne am Sonntag bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen CDU oder FDP wählen. "Wenn Sie aber ihre Krankenversicherung weiterhin bezahlen können wollen, müssen Sie SPD wählen“, sagte sie.
Wer den Menschen mit Blick auf eine anstehende Wahl Angst mache, sollte sich nur sehr zurückhalten als Gesundheitspolitiker bezeichnen, entgegnete der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer. Die Debatte dürfe nicht zu einer "missglückten Abschlusskundgebung" vor der Wahl an Rhein und Ruhr werden.
Stattdessen brauche es Ehrlichkeit, die schon bei der "Begriffsverwirrung“ um die Formulierung "Kopfpauschale“ abhanden gekommen sei. "Es geht hier nicht um eine Kopfpauschale. Niemand in der Union will, dass jeder Versicherte und jedes Kind einen Einheitsbetrag zahlen soll.“
Singhammer warnte davor, "das deutsche Gesundheitssystem schlechtzureden“. Es gehe vielmehr um die Frage: "Wie können wir das System noch besser machen?“ Die Bürgerversicherung sei dazu kein Beitrag, sagte er und sprach von einer "Mogelpackung“. Da die Gesundheitskosten darin nicht von den Arbeitskosten entkoppelt würden, setzten sich die Schwächen des jetzigen Systems fort.
"Wir wollen nicht, dass der Manager den gleichen Krankenversicherungsbeitrag zahlt wie eine Reinigungskraft“, sagte Harald Weinberg (Linksfraktion). Daher lehne seine Fraktion das Koalitionsvorhaben einer "Kopfpauschale“ ab. Er sei gespannt, wie sich die CSU-Abgeordneten im Bundestag zu der Initiative der Linken verhalten werden, lehne doch auch deren Parteichef Horst Seehofer das Projekt einer "einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie für das gesamte nächste Jahrzehnt“ ab.
Die Linke wolle eine "solidarische Bürgerversicherung schaffen, in die alle in Deutschland lebenden Menschen entsprechend ihrem Einkommen und mit allen Einkommensarten zur Finanzierung der Leistungen der GKV beitragen“. Entgegen den Vorschlägen der anderen Oppositionsfraktionen sei man jedoch für die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze ebenso wie für die Abschaffung der privaten Krankenversicherung als Vollversicherung.
Eine der "seltsamsten Blüten des Wahlkampfes“ sei die Erfindung einer Kopfpauschale durch die Opposition, sagte Ulrike Flach (FDP). "Es wird keine Kopfpauschale geben“, machte sie deutlich. Weder sei sie geplant, noch werde sie umgesetzt. Sie sei bereit, über verschiedene Konzepte zu reden, müsse jedoch feststellen, dass es derzeit von der SPD „keinen Vorschlag“ gebe. "Sie schicken die Wähler an die Wahlurne ohne das diese wissen, was Sie eigentlich vorhaben“, sagte Flach.
Angesichts der Altersentwicklung der Gesellschaft und der dem medizinischen Fortschritt geschuldeten Kostensteigerung funktioniere die heutige Finanzierung nicht mehr. "Das ist die Wahrheit, die man den Menschen sagen muss.“ Gebraucht werde daher ein "Einstieg in den Umstieg“ bei der Finanzierung der GKV. Deshalb schlage die Koalition eine einkommensunabhängige Prämie mit einem aus Steuermitteln finanzierten Sozialausgleich vor.
"Sie wollen eine Kopfprämie, auch wenn sie diese jetzt Gesundheitsprämie nennen“, warf Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) der Koalition vor. Diese wolle erreichen, dass Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen allein durch die Versicherten getragen werden müssten. "Das wollen wir verhindern“, machte Bender deutlich.
Man müsse sich dabei vor Augen halten, dass in den letzten vier Jahren die Ausgaben der GKV um 11,8 Prozent gestiegen seien - Löhne und Gehälter jedoch nur um 4,9 Prozent. "Diese Schere wird sich bei Ihnen noch vergrößern“, sagte sie. "Für uns heißt Gerechtigkeit aber nicht, dem einen in die Tasche zu greifen. Wir wollen steigende Lasten auf alle Schultern verteilen.“
Wer aber, wie insbesondere die FDP, einen Sozialausgleich über Steuern verspreche und gleichzeitig die Steuern senken wolle, "setzt die Gesundheitsversorgung von Millionen von Menschen aufs Spiel“.