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Den internationalen Kampf gegen den Klimawandel forcieren, um so dessen negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt in der Ostsee wie die Dezimierung mancher Fischbestände einzudämmen: Diese Forderung gehört zu den Schwerpunktthemen der 19. Ostseeparlamentarierkonferenz, die vom 29. bis zum 31. August 2010 auf den finnischen Åland-Inseln stattfindet. Die Konferenz setzt sich aus Abgeordneten von elf nationalen und elf regionalen Parlamenten sowie fünf parlamentarischen Organisationen rund um die Ostsee zusammen. Zur Tagung äußert sich im Interview der SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes, Leiter der Delegation des Deutschen Bundestages.
Zu den Schwerpunktthemen der Konferenz gehört die
Konsequenz des Klimawandels für die Artenvielfalt in der
Ostseeregion. Was ist denn zu befürchten? Wird etwa der
Fischreichtum leiden?
Die Erwärmung von Luft und Wasser wirkt sich auf die Nahrungskette in der Ostsee aus, und das bleibt nicht ohne Folgen für die Fischvorkommen. Dieser Trend wird sich nicht zuletzt deshalb bemerkbar machen, weil die Ostsee eines der größten Brackgewässer der Welt mit einem vergleichsweise geringen Sauerstoff- und Salzgehalt ist. So ist der Dorschbestand zurückgegangen, nicht zuletzt auch durch Überfischung. Hingegen kommt die Erwärmung der Sprotte zugute. Richtig Sorge machen muss aber der Hering. Wissenschaftler empfehlen eine Reduzierung der Fangmenge um 30 Prozent für 2011. All das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen.
Auf dem Festland dürfte sich der Klimawandel ebenfalls bemerkbar machen. Muss man mit mehr Sturmfluten rechnen? Oder wird die Ostsee zu einem neuen Mittelmeer? Der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern könnte doch von steigenden Temperaturen profitieren.
Die Menschen an der Ostsee mussten sich schon immer gegen Sturmfluten wehren. Bislang lässt sich nicht eindeutig sagen, ob der Klimawandel zu einer Vermehrung solcher Naturereignisse führen wird. Fest steht indes, dass sich die Ostsee, die mit durchschnittlich 55 Metern eine sehr geringe Tiefe hat, stärker als andere Meere erwärmt. Ich glaube allerdings nicht, dass an den Küsten eines Tages Palmen wachsen werden. Aufgrund der bisherigen Entwicklung ist jedoch damit zu rechnen, dass die Sommer trockener und die Winter regenreicher werden. Wenn durch den Regen und die Flüsse in der kälteren Jahreszeit mehr Süßwasser in die Ostsee gelangt, wird dies deren Salzgehalt weiter verringern, was wiederum Folgen für die Artenvielfalt haben wird.
Was ist zu tun, um die negativen Folgen des Klimawandels in und an der Ostsee einzudämmen?
Entscheidend ist, dass weltweit die Kohlendioxidemissionen spürbar verringert werden, was vor allem den Ausbau regenerativer Energien erfordert. Die Schadstoffe, die von Flüssen in die Ostsee geführt werden, müssen weiter reduziert werden, etwa Phosphate, die in manchen Ländern noch in Waschmitteln enthalten sind. Im Blick auf Sturmfluten sollte an der Intensivierung der Ausbauprogramme für Deiche festgehalten werden. Angesichts des Rückgangs mancher Fischbestände brauchen wir Fangquoten, die wieder einen Aufwuchs ermöglichen. Ebenso benötigen wir weiterhin eine Eindämmung des illegalen Fischfangs, wobei indes Fortschritte zu verzeichnen sind.
Ein anderes Umweltthema der Tagung sind ökologische Gefahren, die bei Schiffen durch den Austritt von Öl und anderen gefährlichen Substanzen ausgehen. Ist das denn tatsächlich noch ein Problem? Ölfrachter werden immer sicherer konstruiert, etwa als Mehr-Hüllen-Tanker.
Die wachsende Zahl solcher Schiffe markiert in der Tat einen Fortschritt, aber damit sind nicht alle Probleme gelöst. Schon heute verkehren täglich 1.800 Schiffe in der Ostsee, wovon der Tankerverkehr die Hälfte ausmacht. Zwei Drittel der russischen Ölexporte erfolgen über dieses Meer. Nach Schätzungen wird sich der Frachtverkehr bis 2020 um 60 Prozent ausweiten, was die Gefahr von Unfällen und Havarien durch das Auflaufen auf Grund oder Kollisionen samt ökologischen Risiken wie dem Austreten von Treibstoff und anderen Schadstoffen erhöht. Nötig ist deshalb die Ausweisung präziser Schifffahrtswege, gerade für Tanker und tiefgehende Schiffe, um so Unfallgefahren zu verringern. Auch die Lotsenpflicht in Gefahrenbereichen sollte ausgebaut werden, wogegen sich allerdings vor allem Russland stemmt.
Was hat es mit der Forderung der Konferenz nach einer integrierten maritimen Politik auf sich?
Es geht um ein nachhaltiges politisches Gesamtkonzept, wie dies unter anderem das Projekt "Clean Baltic Sea Shipping" mit einer Reduzierung der schädlichen Emissionen von Schiffen verfolgt. Zu dieser Strategie gehören auch der Ausbau der landgestützten Energieversorgung in Häfen und die Schaffung von ausreichenden Aufnahmekapazitäten für Abwässer. Im Zuge der Entwicklung von Seehäfen sollen die verschiedenen Verkehrsträger mit dem Ziel vernetzt werden, Transporte auf umweltfreundliche Weise mit möglichst geringem Energieverbrauch vorzunehmen.
Die Ostseeregion soll, so das Plädoyer der Konferenz, zu einer Zone des Friedens und der Sicherheit werden. Frieden und Sicherheit scheinen in dieser Ecke der Welt aber doch überhaupt nicht bedroht zu sein.
Es ist erfreulich, dass diese Region im Unterschied zur Zeit des Kalten Kriegs nicht mehr von der Ost-West-Konfrontation geprägt ist. Über 90 Prozent der Küste gehören inzwischen zum EU-Einzugsbereich. Gute Nachbarschaft muss jedoch stets neu gelebt werden, am besten durch möglichst viele Formen der Kooperation. Dies gilt insbesondere für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, aber auch für den gemeinsamen Katastrophenschutz.
(kos)